Haruki Murakami: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
"Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" ist ein ganz typischer Murakami, der die echten Fans wieder einmal begeistern wird. Aber auch für Nicht-Kenner ist der Roman ein großer Genuss.
von Barbara Geschwinde (Westdeutscher Rundfunk)
Es beginnt mit einer Liebesgeschichte: Der Erzähler, ein 17-jähriger Junge, verliebt sich unsterblich in ein Mädchen. Deren "wahres" Ich lebt in einer fernen, ummauerten Stadt, so erzählt sie ihm. Nachdem das Mädchen spurlos verschwunden ist, gelangt der Junge in diese nicht reale Stadt, wo er Traumleser in der Bibliothek wird. Dort trifft er auf das Mädchen, das ihn aber nicht mehr wiedererkennt.
"Vielleicht muss ich die Stadt verlassen", vertraue ich dir an.
"Aber vorher möchte ich dir noch etwas sagen."
"Und?"
"Ich bin dir vor langer Zeit schon einmal außerhalb der Mauer begegnet."
Du bleibst stehen, ziehst deinen grünen Schal fester und siehst mich an.
"Mir?"
"Ja. Deinem anderen Ich - also deinem Ich jenseits der Mauer."
"Meinst du, das war mein Schatten?"
"Ich glaube schon."
"Mein Schatten ist schon lange tot", sagst du in demselben ungerührten Ton, in dem du verkündet hast, dass es in dieser Nacht nicht so viel schneien wird.
Der Schatten ist in dieser Geschichte ein wesentlicher Bestandteil des Menschen, der ohne ihn stirbt. Ohne Schatten fehlt dem Menschen auch die Seele; seine Erinnerungen und Gefühle. In "Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" verschwimmen die Grenzen zwischen Fantastischem und Realem; auch Lebende und Tote vermischen sich. Der Wechsel von einer Welt in die andere ist durch pure Willenskraft möglich. Vieles bleibt geheimnisvoll und wenig greifbar, aber die Träume bieten einen Schlüssel zum Verständnis des Lebens.
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