Laura Lichtblau: Sund
Die namenlose Protagonistin wartet am dänischen Sund auf ihre Geliebte. Als die sie jedoch immer wieder vertröstet, beschließt die Erzählerin, ihre Recherche zur Rolle des Urgroßvaters im Dritten Reich zu pausieren und auf die Insel Lykke überzusetzen. Dort werden sie und eine weitere neu Angekommene mit Misstrauen begrüßt und bleiben Außenseiterinnen. Doch dann entdeckt die Erzählerin Hinweise, die bestätigen, dass auf der Insel während des Nationalsozialismus Zwangssterilisationen durchgeführt wurden und plötzlich ist der Bezug zur eigenen Familie wieder ganz frisch.
„Sund“ ist bereits der zweite Roman der Autorin Laura Lichtblau. Erzählt wird aus der Perspektive der Protagonistin in der Ich- und Gegenwartsform. Dies und ein Sprachstil mit vielen kurzen Sätzen und beschreibenden Vergleichen (vor allem Naturbilder) vermitteln den Eindruck, die Handlung unmittelbar durch die Figur mitzuerleben und ihre Emotionen zu teilen. Der Text in der Gesamtheit ist jedoch eine gekonnte Mischung aus Romanszenen und Sachinformationen, denn wenn in der Mitte des Buches die Erzählerin über ihren Urgroßvater spricht, tut sie dies im Stil einer detaillierten biografischen Aufzeichnung, die sie aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen hat.
Wie mit der eigenen Familiengeschichte umgehen? Das ist die Frage, die Laura Lichtblau sich in diesem kurzen, aber gehaltvollen Roman stellt. Ein Gericht stufte den Urgroßvater als „Mitläufer“ ein, aber kann und darf seine Urenkelin zu dem selben Schluss kommen? Die Fakten sind zusammengestellt und nun müssen wir uns als Leser*innen abschließend selbst ein Urteil bilden. Die umrahmende Romanhandlung hingegen scheint sich der Realität zu entziehen. Die Protagonistin ist oft unsicher, ob sie ihrer Wahrnehmung trauen kann; einzelne Szenen lassen sich nicht klar als Wahn oder Wahrheit einordnen Was am Ende bleibt, ist nur der Titel gebende Sund.
„Dann verwandelt sich der Sund wieder in eine Fläche, auf der sich alles ablegen lässt. Er gleißt auf. Und mit einem festen Ruck verschluckt er jede Geschichte, alle Beweise, und alles, was stört.“ (S. 130)
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