Bürgergeld: Halt‘ du sie dumm, ich halt‘ sie arm
Man fühlt sich unweigerlich 20 Jahre zurückversetzt, betrachtet man die derzeitige Kampagne gegen das Bürgergeld und die Bürgergeldbezieher. Unbelegte Behauptungen und Unterstellungen wechseln sich munter mit Diffamierungen und Gerüchten ab. Die Verbreiter dieser Falschinformationen sitzen – wenig überraschend – ein weiteres Mal in Politik und Medien. Doch kalter Kaffee, nochmal aufgewärmt, schmeckt deswegen keinesfalls besser. Ein Kommentar von Lutz Hausstein.
Seit Monaten kann man eine Kampagne gegen das Bürgergeld an sich, gegen seine Höhe sowie die Bürgergeldempfänger beobachten. Die Protagonisten dieser Kampagne reichen von Politikern sowohl aus (inzwischen Ex-)Regierung und Opposition bis hin zu den Medien, die dies unwidersprochen verbreiten, aber auch einzelnen Journalisten, die dem noch eigene geistige Ergüsse hinzufügen. Allen Äußerungen ist jedoch eines gemein: Sie entbehren fast durchgehend einer sachgerechten Grundlage. In diesem Artikel möchte ich nur die Spitzen des enormen Eisbergs aufgreifen, der unter der Oberfläche umso mächtigere Ausmaße angenommen hat. Und dies vor allem aus dem Grund, weil ihm seit Jahrzehnten von Politikern wie Medien so massiv regelmäßig neues (Kampagnen-)Material zugeführt wird.
Im August 2024 hatte Christian Dürr, der FDP-Bundestags-Fraktionschef, also einer Partei, die zu diesem Zeitpunkt noch Teil der rot-grün-gelben Regierungskoalition war, mal so en passant gefordert, die Regelsätze des Bürgergeldes um 14 bis 20 Euro pro Monat zu kürzen. Er begründete seine Forderung damit, dass „bei der letzten Berechnung die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat“. Es ist allerdings Tatsache, dass seine Darstellung so nicht den Fakten entspricht, da im derzeit praktizierten Berechnungsverfahren die Regelsatzhöhen erst nachschüssig anhand eines Mixes aus Inflation und Lohnentwicklung ermittelt werden, also die schon durchlebte Inflation der Vergangenheit in die Bürgergeldhöhe der nachfolgenden Periode einfließt. Dürr legte jedoch keine Berechnung vor, wie er auf die konkreten Werte von 14 bis 20 Euro kam. Und bezeichnenderweise gab es seitens der Medien auch keine diesbezüglichen Fragen. Man kann also davon ausgehen, dass Dürr diese Werte „selbst geschöpft“, besser aber wohl sich aus den Fingern gesaugt hat, weil er damit eine politische Botschaft verkünden wollte. Der zukünftig stärkeren Berücksichtigung von Inflation hatte sich aber schon das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juli 2014 gewidmet.
Weiterlesen:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=125236
Reset the World!
Beiträge: | 27.183 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |