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RE: Besoffene Schmetterlinge

#1 von Karl Ludwig , 01.05.2016 08:35

Sommer 1998

Der Poet fläzt sich selbstzufrieden auf seiner gelben Liege im Garten und sinniert. Poeten sind äußerst sensibel, wusstet Ihr das schon? Zur Rechten ein inzwischen abgeerntetes Schlafmohnfeld, zur Linken eine kleine Hanfplantage 'Teutsche Hecke', aber die braucht noch eine Weile.

'Ich müsste bald mal die Männchen identifizieren und ausrupfen Na, egal, mach' ich morgen. Vielleicht. Heute leide ich noch an den Nachwirkungen einer Papaver Somniferum Kur.'

Ich schwöre Euch, so ein kleines Entzüglein nach viertägigem Missbrauch, dauert echt eine miese Weile. Es ist wie eine Neuformatierung der Festplatte mit sämtlichen Updates: Was ist die richtige Reihenfolge der Wichtigkeit aller Dinge, welche man wahrnimmt (oder auch nicht)? Welche Gedanken sind verseucht? Welche sind deutlich? Was macht Spaß? Was muss erledigt werden, einfach weil es erledigt werden muss? Mir jedenfalls ist völlig verständlich, warum ich meine Pflichten minimierte und den Genuss dadurch noch zusätzlich optimierte: Ich kann auch beruhigt mal für einige Tage ausfallen, und die Welt steht erstaunlicherweise anschließend immer noch. Psychologen reden in diesem Zusammenhang von Kontrollillusion, aber die scheint mir allen Menschen zu eigen, egal ob die nun saufen, kiffen, in der Nase bohren oder Politiker sind.

Übrigens, so als kleine, eingeschobene Geschichte: Die ersten Samen für mein, bestimmt völlig verwerfliches Lieblingslaster, kaufte ich einst bei Edeka. Dort sind sie, unter dem Decknamen Blaumohn, frei erhältlich. Nur ..., wenn man sich die Verpackung genauer ansieht, erkennt man ein kleines Foto von Schlafmohnkapseln. In den späteren Jahren entdeckte ich in fast jedem 10'ten Vorgarten hier in der Gegend einige dieser verbotenen Pflanzen.

Inzwischen habe ich Züchtungen mit glatten oder fedrigen Blättern, oder Nelkenköpfen in sämtlichen Farben, gebt mal 'Bilder zu danish flag papaver' in eine Suchmaschine Eurer Wahl ein.

Ich frage mich gerade, nur so zum Zeitvertreib, ab welchem Augenblick der verfemte Subversive nun zum üblen Kriminellen wird. Etwa in dem Moment, wenn er die Samen bei Edeka kauft? Oder, wenn er diese irgendwohin streut? Wenn er die Köpfe (plus 10 cm Stiel) erntet? Sobald er die Kapseln mit Wasser aufkocht? Oder doch erst in dem Moment, wenn er das Gebräu trinkt? Irgendwie auch egal. Für einmal pro Monat, bis zur nächsten Ernte, legte ich mir 120 Kapseln zurück, immerhin haben wir schon den 10'ten, das Leben kann so herrlich sein, wenn man erst einmal den Zusammenhang zwischen mangelnder Lebensfreude und überflüssigen Sorgen oder Ärger durchschaut hat. Die Spielregeln sind so einfach wie die Anweisung für Langtons Ameise. Ich habe keine echten, akuten Sorgen, die Einschränkungen meines Alter halte ich, gemessen an meinem wüsten Leben, für erträglich, ha, wem das nicht reicht, wer damit nicht zufrieden ist, hat selber Schuld.

Das Ende der Welt stand immer schon unmittelbar bevor, der Tod ist und bleibt vom Leben nur durch einen Atemhauch getrennt, - das ist schließlich sein mysteriöser Job. Aber noch steht er nicht vor meiner Tür. Beruhigt räkle ich mich, blicke nach oben. Kondensstreifen kreuz und quer, Schäfchenwolken, piksende Sonne außerhalb der Schatten, leichte Brise, fernes Hubschraubergeräusch, leises Summen der Starkstromüberlandleitungen in der Nähe, etwas lauter das Klappern eines handbetriebenen Rasenmähers, Hummeln, Vogelgezwitscher, Bienen und Wespen, die mich aber in Ruhe lassen.

Und Schmetterlinge. Zitronenfalter, Admiral, Kaisermantel, Kohlweißling ... die anderen Flatterflecken kenne ich nicht vom Namen her. Sie scheinen vom Gelb meiner Liege angezogen zu werden, ein Falter setzt sich auf meine Stirn, vielleicht will er etwas vom salzigen Schweiß schlecken?

Als er wieder davon fliegt, in den flirrenden Reigen bunter Beweglichkeit, folgt ihm mein Blick. AHA! Mein Verdacht wird zur Gewissheit. Der Schmetterling ist besoffen und taumelt nun zurück an die Theke, die sich ihm in Form angegorener Pflaumen darstellt. Ich war ihm bloß eine Art Salzstange zwischendurch.

Deswegen also dieses Farbgestöber. Das sind alles trunkene Taumelfalter! In Afrika soll es ja Elefanten geben, die sich an vergorenen Früchten berauschen.

Hingegen sind besoffene Schmetterlinge schön anzusehen, völlig ungefährlich, direkt im Garten und nicht weit weg, anmutig, und sie zertrampeln auch kein Porzellan.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

Karl Ludwig  
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RE: Besoffene Schmetterlinge

#2 von Sirius , 01.05.2016 20:52

Richtig, deshalb sind Schmetterlinge auch leichter zu handhaben als Elefanten.
Und deine Festplatte funktioniert auch noch, klsa, trotz deines..äh..Lasters.
Soll heißen, mir hat deine Geschichte wieder sehr gut gefallen.

Sirius


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RE: Besoffene Schmetterlinge

#3 von scrabblix , 01.05.2016 21:03

Mein Herr Sohn und ich sind mit größtem Vergnügen deinen Ausführungen gefolgt, klsa! Nur gut, dass es keine besoffenen Elefanten waren, die durch deinen Garten flogen. Irgendetwas wäre dann mit dem Entzüglein wohl nicht so gelaufen, wie erwünscht.


Liebe Lottegrüße


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morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Besoffene Schmetterlinge

#4 von Jonny , 02.05.2016 21:40

Auch ich habe mich wieder gern durch deine Geschichte gelesen, klsa.
Gefällt mir, wie du die Worte setzt.

Jonny

 
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