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RE: Chinesen

#1 von Karl Ludwig , 22.05.2016 10:30

Ich war um 2003 herum fast ein Jahr lang in China, zu einer Zeit also, als das Wirtschaftswachstum dort an die 12 % betrug, um ein Projekt zu realisieren, welches in Deutschland höchstens einen Monat Produktions- und Montagezeit verlangt hätte.

Ich habe sogar noch einige Bilder von meiner Leistung im Internet gefunden: https://www.tripadvisor.de/Restaurant_Re...in_Jiangsu.html

Falls jemand nachgucken sollte, möge betr. Person auf den Innenausbau achten.

„Der Chinese kann alles!“ Der Bauherr, ein stolzer Landlord, Turbokapitalismusgewinner, schmückte sich gerne mit 'Western People' und mehrmals musste ich ein Abendessen mit 20 Personen über mich ergehen lassen, neben Papa Chao platziert und mühsames Bla-bla mit fünf Vertretern von VW treibend. Die Frage nach dem Warum, wenn der Chinese doch alles kann, wagte ich nicht zu stellen. Ich war nicht privat vor Ort und Job ist Job!

Keiner hatte mich vorgewarnt!

Vermutlich gingen die Leute davon aus, dass ich Bescheid weiß. Ich merkte die Anzeichen erst spät. Die Wanderarbeiter erschienen eines Tages nicht mehr. Die Firmenzentrale von Papa Chao blieb unbesetzt. Meine Papiere waren in Sachen Visaverlängerung unterwegs. Mist!

Ich wusste, wo eine meiner 'Manager Assistant's (vulgo: Sekretärin mit Englischkenntnissen) wohnte (rotwerd) und die klärte mich auf:

Frühlingsfest! Mindestens eine Woche landesweiter Stillstand. Und sie wolle auch gleich einen überfüllten Zug nach Shanghai nehmen, um mit ihren Eltern zu feiern.

Da saß ich nun im International mit drehendem Restaurant fest. Und durfte, Ha! bzgl. 'Eine Woche', Haha!, insgesamt 14 Tage lang! - den knallstarken Ausdruck von Freude der Eingeborenen über den Frühling erleben, der in dieser Form bei uns hier bestimmt unter strategisches Bombenverbot fallen würde. Was wir in Deutschland so als Chinaböller an Substituten erleben, hält gar keinem Vergleich stand. Blitzbomben, die durch die dicksten Vorhänge blenden, von (mehrstufigen?) Raketen emporgetragen, Donnerschläge wie Erdbeben, Tausend-Teufel-Geheul in allen Tonlagen, äußerst Tinnitus verdächtig, bengalische Feuer wie wild gewordenes Nordlicht …

Rund um die Uhr!

Die lösen sich nämlich ab, - ich mich hingegen nicht. Aua. Meine Nerven! Selbst Hustensaft mit nur ganz wenig Kodein ist wegen der SARS Geschichte inzwischen rezeptpflichtig. Der Hotelarzt verschreibt mir ein Dauerrezept.

Seltsam. Ein Mitarbeiterpräsent auf meinem Schreibtisch. Lackierte Hühnerfüße, eingelegte Enteneier, Algensuppe und ähnliche Delikatessen, welche ich umgehend dem Hausmeister schenke, der bekommt nämlich Nix! Vielleicht die verkehrte Kaste? Schon wieder Egal, das wird allmählich zur Gewohnheit. Ich rufe Papa Chao an und lasse mich nach Shanghai chauffieren, kaufe auf dem Flughafen in einem 'Western Supermarkt' überteuerte Lebensmittel und deutsche Zeitschriften.

Shanghai, ach, auch eine Stadt, in die man sich verlieben könnte. Ersetzt jeden Kaffee. Ist ihre eigene Droge. Hypermoderne Bauten neben Untergang geweihter, klassischer Holzarchitektur, sämtliche Traditionen verdrängend, übel-übel, aber irgendwie … lebendig. Bestimmt auf Kosten derer, die sich nicht wehren können. Nun, China ist eine souveräne Nation, so was hat mich nur marginal zu interessieren ...

In diese Zeit fällt auch mein erster und einziger Kauf einer sexuellen Dienstleistung. (Spät, sehr spät in meinem Leben, vorher ließen mir meine ... äh ... Bekannten ja keine Zeit für dafür). Die ist nicht schlecht, schreit aber auch nicht nach Wiederholung.

Auf einem der Bilder sieht man die Wendeltreppe, welche ich drei Mal abreißen ließ, bevor sie mir nicht mehr wie ein vorsätzlicher Mordversuch vorkam. Das ist dieses Problem mit dem Stolz. Die Chinesen holen sich die teuren ausländischen Experten, um dann nicht auf diese zu hören. Das Reich der Mitte eiert um noch krummere Achsen als ich und mein Bemühen, die Widersprüche irgendwie doch noch auszubalancieren. Mao ist immer noch nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, er blickt gütig, - ein 45 Millionen Menschen Mörder -, aus jeder Menge Gerahmtes in vielen Büros und Verkaufsläden.

Ich hüte mich, zu argumentieren. Ich werfe in einer Verkaufszone meine Kippe auf den Boden und bin sofort umringt von verzweifelten Chinesen, die mir klar zu machen versuchen, dass sich so was nicht gehört. Aus lauter Dafke stelle ich mich dumm. Der Pulk wird immer aufgeregter, lauter, größer und ein Polizist nähert sich interessiert. Die Leute reden auf ihn ein, er zuckt mit den Schultern. Bei Ausländern weiß man als kleiner Beamter natürlich nie, welchen Ärger man sich u.U. damit einfängt. Nach einigen Minuten hebe ich die Kippe auf und trage sie demonstrativ zu einer Mülltonne. Die Blödmänner applaudieren. In Singapur wär' ich damit nicht durchgekommen.

Die Frauen sind zierlich, sehr hübsch und ich bin nicht fähig ihr Alter zu schätzen. Leider wollen sie inzwischen auch aufgepumpte Atombusen vor sich her schieben. Kulturelle Infektion durch zu viel Pamela Anderson in Baywatch? Hier laufen jede Menge amerikanische Oldies in der Glotze.

Versucht mal aus einem Fahrstuhl zu entfliehen, wenn einige Chinesen die Kabine betreten wollen. Stört Euch nicht an diesem permanenten Gerotze auf den Boden – es ist ja bloß SARS am Toben. Und lasst mich erst an dieser Kette für Kronleuchterbefestigung ziehen, um zu überprüfen, ob die auch wirklich fest hängt. (Nein, das letzte Kettenglied passte nicht über den Haken, also wurde etwas Draht genommen und der Pfusch schnell mit Gipskartonplatten verkleidet).

Angeblich stinken wir Westler für die Chinesen, nun, umgekehrt riechen die auch nicht besser.

Nachdem ich am Tage vor der Eröffnung geschickt einer erneuten Einladung zum Gruppenessen mit noch zuckenden Langusten auf Eis ausgewichen war, schenkte ich meiner liebsten 'Manager Assistant's eine Handtasche, der anderen ein paar Strümpfe, schweineteuer von Burberry. Und beide bekamen ein Superzeugnis in drei Sprachen. Dann kündigte ich meine kleine Hotelsuite.

Toll. Die Hotelkosten werden geteilt, aber bei der Abreise bekomme ich eine Quittung über die gesamte Summe, das ist gut für Reisekostenendabrechnung.

Liebe Tachelestomanen, demnächst berichte ich von dem Anschlussprojekt in Russland, Nab Chelny, wo ich grandios versagte, wegen dem kosmischen Gleichgewicht oder so.


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RE: Chinesen

#2 von Sirius , 23.05.2016 21:48

Ich erwähnte schon in einem anderen Beitrag den informativen Charakter deiner Geschichten, klsa, das ist auch hier wieder neben der unterhaltsamen Schreibe, der Fall.
Und ich sehe auch, dass du bei den Kiebitzen sehr beliebt bist.
Nir hat dein chinesisches Abenteuer wieder sehr gefallen, ich liebe das Humoreske in deinen Zeilen. Also nun auf nach Russland!

Sirius


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