(Eine Art Buchkritik)
Jörf Fauser war 1967 - 68 in Istanbul und hat daraus einen höchst unwahrscheinlich anmutenden Roman gefertigt. Halb Pop-poesie, halb Krimi. Etwas Chandler und Kerouac. Aus Marketinggründen angeblich mit autobiographischen Elementen. 'Tophane' hieß das Ding. Ein Bekannter gab es mir zu lesen und ich fand Fauser geziert, romantisierend, und zu offensichtlich mit Beschreibungen affektierter Drogenexzesse daran interessiert, wohligen Exotengrusel beim Leser zu wecken.
Da schleppen Hippies für den Unterweltboss eine Leiche, um sie in den Bosporus zu werfen. Wer's glaubt. Die wahre Unterwelt trieb sich nicht in Tophane herum und hatte es auch nicht nötig, ihre Leichen von Ausländern entsorgen zu lassen. Die Bosse hielten sich im Vergnügungsviertel Beyo?lu auf.
Zitat: „Wenn einer anfängt zu schreiben, will er immer mit den Sätzen das Blau des Himmels runter holen, will er alle Grenzen überschreiten und durch alle Tore, die zum Leben führen. Und er weiß noch nicht, dass er dafür bezahlen muss. Mit sich selbst. Mit Scham. Mit Fremde.“
Welch Wortwucht, dachte ich zuerst und erhoffte mir ähnlich erhabenen Bezug zum Schreiben – aber da kam Nix. Keine Omniskribenteninfektion suchte mich heim. Mist!
Dabei habe ich fast alles tatsächlich erlebt, was ich hier zum Besten gebe. Natürlich keine Besuche von Musen, in solchen Fällen geht es aus dem Text hervor, dass ich ein Märchen erzähle.
„Der Orient ist wunderbar wohltätig; aber er ist auch ein hauchdünner Firnis, der sich auf Glieder und Geist legt: Entschlüsse fasst man, aber führt sie nicht aus; man sitzt, man wartet nicht einmal, dass etwas passiert, oh nein! Allah ist gnädig! Man weiß, es wird nichts passieren, und dieses Wissen trinkt man mit jedem Gläschen Tee wie ein köstliches, duftendes Wasser.“
Hm. Gute Beschreibung. Der Mann konnte mit Worten jonglieren.
Aus Literaturkritik.de: „Tophane“ hieß dann auch sein erster Roman, der nach Fausers Rückkehr in einer kleinen Göttinger Dachmansarde entstand. Es ist der Versuch, die akausalen und assoziativen Denkprozesse und die zerfaserte Wahrnehmung des Junkies zu versprachlichen. Kein einfaches Unterfangen, diese Mischung aus Tran, Traum und existentiellem Horror in die Vernunftsprache des Lesers zu übersetzen. Es sind "eingespritzte Worte", die ihre Intensität durch eine erschreckende Körperbezogenheit erhalten, wie sie bereits in Cocteaus "Opium" und Burroughs "Naked Lunch" zu finden ist. Harry Gelb watet im Alptraum tagelang durch dunkle, mit einer fauligen, stinkenden Flüssigkeit gefüllte Stollen bis er plötzlich realisiert, dass es sich um seine eigenen Venen handelt. Das Verlangen des Junkies nach einem Schuss wird bei Fauser zur totalen Reduktion des Menschen auf eine wimmernde, vegetative Körpermasse: "Nur dass ich mich halten kann, mich Haut, mich Zunge, mich Muskel, mich nichts als Zeit, mich nichts als Blut krank vor dir, mich nichts als Dreck vor mir, nur diese winzige einzige letzte herrliche Spritze, mach was du willst mit mir, was Dreck ich bin, was hungernde, durstende Zelle Kot und Zeit schwarz vom Geschmeiß deiner Fliegen und Hoffnung, gib sie mir, mach schon, irgendwohin, irgendworein, da in die letzte Mitte dessen was ich war."
Ich meine, man kann auch die Sucht weniger romantisieren und den Entzug weniger dramatisch schildern. Ich meine, ich kenne mich da aus. Entzug ist langweilig, wenn man erst mal den Entschluss gefasst hat, die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten zu stehen und NICHTS zu tun, was prinzipiell jedem gelingen sollte.
Zusammenfassung: Jörg Fauser konnte schreiben, wollte aber berühmt werden und dieses Schielen nach dem Leser war kontrakonstruktiv. Dennoch verdiente er einen Platz auf der Liste guter deutscher Poeten. Wenn er nicht so früh (mit 41) gestorben wär, hätte er sich zu einem echt großen Schriftsteller entwickeln können.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Danke für diesen Beitrag, klsa. Buchkritiken haben wir ja leider nicht so oft, die meisten wollen immer nur Gedichte lesen.
Hat mir sehr gefallen.
Sirius
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