Sheriff steht am Herd. Feinripp auf Rippchen, Altershalssehnen unter dem Farnkrautbart. Wenn er Eierkuchen macht, ist er zufriedener als sonst. Suizidaler Leptosom, der nur bei Unterzuckerung wach wird. Ich sitze an seinem Klapptisch, auf dem ein fetter Kater schläft, bin eingeladen, mit ihm zu essen. Wo seine Hände waren, will ich nicht wissen. Das macht unsere Freundschaft aus: Wir wissen nicht viel voneinander und belassen es dabei.
Sheriff stalkt in Friedrichshain herum, kennt Mann, Maus und Mäuschen, Kellnerinnen und Kühlketten angelieferter Lebensmittel für verschiedene Bistros. Er hat das Glück, sofort wieder vergessen zu werden- für Stalker ein starker Vorteil. Da ich mich an ihn erinnere, sind wir fast beste Freunde.
Bevor er den Tisch deckt, zieht er die Schreckschusspistole und feuert sie einen Zentimeter neben dem Ohr des Katers ab. Manchmal muss er Angstpippi wegwischen, aber der Kater trollt sich immerhin, ohne große Mätzchen zu machen. Draußen vergessen sie ihn zwar, aber nicht den Fremden, der sich mit seiner Pistole einen Platz auf dem Sitzclo freischießt. Man kann sich seine Freunde nicht aussuchen, und so landet der erste Eierkuchen auf meinem Teller. Ich hasse Nougat als Aufstrich, aber sonst kriege ich nichts ab. Der Kater humpelt mit Labyrinthschwindel auf sein Katzenklo, der vor dem alten Kleiderschrank im Flur steht. Er ächzt beim Kacken.
Sheriff hat eine Internetfreundin: „Sie will mich treffen. Das war nicht abgemacht. Kann ich mir Deine Wohnung leihen?“ Er lächelt: „Andere bezahlen den Eierkuchen mit dem Leben. Du kriegst ihn umsonst.“ Bevor man Sheriff vertrauen kann, muss man ihm alles zutrauen. Zutrauen und Vertrauen. Nichts kann schöner sein. „Eine Unterhose brauche ich auch. Das andere geht mit Deo.“
Kater hat einen Schleudergang überlebt, die Waschmaschine nicht.
„Aber nur eine Unterhose und eine Nacht“, ermahne ich ihn und ergänze: „Ich penne bei meiner neuen Freundin. Wir wollten sowieso irgendwann vögeln. Kann ja auch heute sein.“
Sheriff putzt sich mit dem Unterhemd Nougat vom Kinn: „ Du hast ne Bettgeschichte? Und ich, Dein Freund, weiß das nicht?“ Bevor er etwas tobsuchtet, was er manchmal gern macht, sage ich kurz angebunden: „Reine Rücksicht. Wie das unter Freunden üblich ist. Oder willst Du wirklich wissen, dass die Kellnerin, die Dir den Laufpass gegeben hat..“
Ich leihe ihm die Wohnung für zwei Tage und zwei Unterwäschegarnituren. Dafür bekomme ich noch einen Eierkuchen und keins in die Fresse. Der Kater ist in seiner Kacke eingeschlafen.
Echte Freunde lösen ihre Konflikte schnell und sauber.
Wir essen zufrieden weiter, und draußen verdunkelt sich Berlin. Sheriff hat zwar wieder Strom, aber keine intakte Lampe mehr. Getobsuchtet, sage ich nur. Seitdem finden es einige seiner zwielichtigen Nachbarn gut, dem Mann von der Stromgesellschaft zu unterstellen, er würde ihr Selbstbestimmungsrecht auf Abgeltungszeiten untergraben. So was schreit Sheriff nämlich, wenn er Lampen zerschlägt und herumtobt. Und das Haus ist hellhörig. Er hat noch Kerzen, und wir trinken Kaffee mit Katzenmilch. „Fettarm“ grinst er, und wir planen die nächsten Stunden. Mit Sheriff kann man Pferde stehlen. Und Wodka. Wahrscheinlich steht eine Frau namens „Weidenrute79“ unsicher im Herzen eines riesigen Bahnhofs herum, und meine neue Freundin wird ihre Versetzung nicht hinnehmen, denke ich, bevor ich an der Seite meines Freundes besoffen am Tisch einpenne.
Man muss halt manchmal Prioritäten setzen. Erst recht für die Erhaltung fragiler Freundschaften.
Frauen kommen und gehen, aber Sheriff bleibt. Wo soll er sonst auch hin?
Alles bleibt neu.
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Hallo Gregory1952,
in den ersten drei Sekunden dachte ich beim Namen "Sheriff" an eine Geschichte aus dem "Wilden Westen", bevor mir auffiel, dass Friedrichshain nicht in Arizona liegen kann.
Wobei die häusliche Umgebung vom Sheriff durchaus einem Saloon entsprechen kann, den Kater eingeschlossen.
Auch die Geschichte dieser Männerfreundschaft erinnert mich an die schweigsamen Helden, die hier ihre Bohnen mit Eierkuchen getauscht haben.
Freundschaft kommt halt mit dem Nötigsten aus, das zwischen zwei Männern wichtig ist und man akzeptiert besser die Macken des anderen.
Deine Schreibe hat mir jedenfalls sehr gut gefallen und wenn ich es noch nicht gesagt habe, dann jetzt: Herzlich willkommen hier!
Sirius
Reset the World!
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Willkommen, Gregory! Auch wenn ich kein Mann bin, gefällt mir deine Geschichte ebenso gut, wie deine Schreibe!
Lieben Gruß
scrabblix
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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