Wenn einer eine Reise tut
Wenn einer eine Reise tut,
dann kann er was erzählen,
kann seine Gäste bis aufs Blut
mit Urlaubsdias quälen.
Wenn einer eine Reise macht,
dann will er was berichten,
weil Sehenswürdigkeit und Tracht
ihn wohl dazu verpflichten.
Dass einer eine Reise bucht,
um fernwärts zu enteilen,
ist schön – solang er nicht versucht,
all das mit uns zu teilen.
Michael Schönen
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Anwendbar
Ein weich verpackter,
Ein fein befrackter,
Nicht sehr intakter
Charakter.
Den Vers, den hab ich im Vorrat gemacht,
Ganz ohne Objekt, ich hab halt gedacht:
Ich mach ihn einmal, er wird schon passen,
Man kann ihn brauchen in allen Gassen.
Friedrich Theodor Vischer
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Der Spaziergang im Walde
Zwei Löwen gingen einst selband
In einem Wald spazoren,
Und haben da von Wut entbrannt
Einander aufgezohren.
Da kamen eines Tages daher
Deswegs, zwei Leute, edel,
Die fanden von dem Kampf nichts mehr,
Aber beider Löwen Wedel.
Daraus geht nun für Groß und Klein
Die weise Lehr hervor:
Selbst mit dem besten Freunde dein
Im Walde nie spazor!
Unbekannter Verfasser
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Zitat von Sirius
Ungerecht
Es drohn dem Exhibitionist,
der nackt und deshalb glücklich ist,
wenn vom Gendarmen er gefasst,
zumindest ein paar Monat Knast.
Was diesen Menschen sehr empört,
weil man sein Glück ihm roh verwehrt.
Ganz anders bei der Haute Couture!
Da kommen Damen aus der Tür,
die zeigen wie zur Offenbarung
ganz straflos ihre Schambehaarung
und dann – zur Steigerung der Lust –
noch ihre unbedeckte Brust.
Dafür bezahlt man sie nicht schlecht.
Man sieht: Die Welt ist ungerecht.
Emanuel Heger
Schreiben macht schön.
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Die Krähe
Die Krähe lacht. Die Krähe weiß,
Was hinter Vogelscheuchen steckt
Und dass sie nicht wie Huhn mit Reis
Und Curry schmeckt.
Die Krähe schimpft. Die Krähe bleibt
Nicht gern in einer Nähe.
Dank ihrer Magensäure schreibt
Sie Runen. Jede Krähe.
Sie torkelt scheue Ironie,
Flieht souverän beschaulich.
Und wenn sie mich sieht, zwinkert sie
Mir zu, doch nie zu vertraulich.
Joachim Ringelnatz
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Fischerdorf mit Strand
Schäfchenwolken sausen südwärts,
Sonne saugt sie sengend ein,
Ozean grüßt blautürkisisch,
Möwen kehren keuchend heim.
Häufchen Schuppen schimmern silbrig,
Fischers Weib bürstet die Beute,
müde Männer dösen faltig,
haben Feierabend heute.
Linde Luft leicht und duftig,
ein winzig Wellchen flach erbricht,
a la playa planscht der Bär,
Lothar lernt das Surfen nicht.
Fritz Eckenga
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Romantisches Gedicht
Ich wollte mal wieder
Ein romantisches Gedicht machen.
Hier ist es:
Das Schweigen.
Dilemma.
Danke!
Gerd Heger
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Heimweg
Mein Heimweg ist nicht lang.
Er lässt mir grade Zeit
zu einem Lobgesang
auf meine Tüchtigkeit.
Ich saß beim Alkohol
und schwatzte angenehm
von Kunst und Menschenwohl:
ich weiß nicht mehr zu wem.
Jetzt aber geh ich heim
und lobe meinen Fleiß,
der stets mit einem Reim
sich zu stätigen weiß.
Erich Mühsam
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Mißverständnis
Mein Kohlenhändler ist taub.
Bestell ich Briketts,
schickt er Kohlenstaub
und meint mit sehr viel Schmus,
das sei nun mal sein Gruß.
Obgleich ich gar nicht wüsste,
dass er mich jemals grüßte.
Jetzt treibt er es auf die Spitze.
Ich soll ihm meine „Kohlen“ senden,
obwohl ich keine besitze,
und um den Streit zu beenden,
erläuterte ich ihm geduldig,
ich sei ihm nichts als Grüße schuldig.
Erwin Bruno Sandhoop
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Erotisches Variete
Auf offner Straße in der Nacht
Entkleidet sich ein Kneipenwirt,
Ein Ingenieur ist aufgebracht,
Der sich bei seinem Weib verirrt.
Nach gleichgesinnten Viechern schielt
Ein homosexueller Hund.
Ein Greis, der mit sich selber spielt,
Merkt: Allzuviel ist ungesund.
In schmutzig grüner Tunke hockt
Ein blauer Syphilitiker.
Ein Boxer bebt. Ein Baby bockt.
Verstiert fault ein Zylinderherr.
Ein Auto bringt ein Fräulein um.
Ein Junge bricht ein Mädchen an.
Verbittert ist ein Mensch. Warum?
Weil er nicht coitieren kann.
Alfred Lichtenstein
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Der Schnupfen
Der Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf dass er sich ein Opfer fasse
- und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.
Paul Schrimm erwidert prompt: „Pitschü!“
und hat ihn drauf bis Montag früh.
Christian Morgenstern
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Auf dem Faulbett
Auf meinem Faulbett hingestreckt
Überdenk ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt,
Dass ich nur immer klage.
Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jender Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.
Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst übewunden –
Und dennoch, ich vergess es nie,
Es waren doch schöne Stunden.
Frank Wedekind
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Schmähung
Tränensäcke, ich kann euch missen!
besonders,
wenn die Beuteltaschen
mich schon am Morgen überraschen.
Vor allem,
wenn sie, aufgebläht, als Kissen
für die Augen dienen müssen.
Tränensäcke sind
des Alters aufgedunsenes Kind.
Ich kann nicht sagen, wie ich bebe
vor dem wasserreichen Feingewebe.
Kann es nicht an anderen Stellen,
sagen wir, am Bauche, schwellen,
oder weiter unten am Gesäß,
wäre das dem Alter nicht gemäß?
Dann wäre mir alles einerlei,
die Säcke gingen am A... vorbei.
So aber kann es jeder wissen:
Tränensäcke finde ich be...!
Dieter Wetzel
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Der Lattenzaun
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da –
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaum indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum.
Ein Anblick, gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri- od – Ameriko.
Christian Morgenstern
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Die Essich-Diät
Denk' ich an Kuchen in der Nacht,
so bin ich um den Schlaf gebracht.
"Schwarzwälder Kirsch", "Frankfurter Kranz"
und Erdbeertorte, noch mit ganz
viel Sahne, nur für mich allein:
Was könnte widerlicher sein?
Wie gut es mir doch lang` schon geht
mit meiner Essich-Schmatz-Diät!
Die schon des Morgens aus mir spricht:
"Was mach' ich: essich? Essich nich?
Wo Knäckebrot, zu früher Stunde,
mir tockenfröhlich staubt im Munde
und rosarote Laune schafft
der lecker Rote-Beete-Saft!
Auch mittags bin ich zu beneiden,
ich hab die Wahl, kann mich entscheiden
zwischen Kartoffeln oder Reis.
Wie eklig wär` jetzt Schoko-Eis
mit süßer, roter Himmbeersoße!
Stattdessen ess' ich riesengroße
Salat-Gemüseschüssseln leer.
Mehr Schlemmen geht fast gar nicht mehr!
Nein! Halt! Fast hätte ich's vergessen:
am Abend wird "Gourmet" gegessen!
Es lässt nicht lange auf sich warten
der Eintopf 'Mein Gemüsegarten'.
Ich fühl' mich glücklich, satt und wohl
mit Möhren, Erbsen, Blumenkohl,
darf mich des Abends reich belohnen
mit Wirsing, Paprika und Bohnen.
Und fünf Radieschen, keine Frage,
die krönen dieses Festgelage!
Doch schleicht herbei die dunkle Nacht,
so bin ich um den Schlaf gebracht.
Dann muss ich schimpfen, meckern, fluchen.
Warum?
Das hat hier nichts zu suchen...
Petra Friedel (geb. 1963)
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