Grundgesetz
Von wegen, von wegen.
Alle Frauen sind gleich.
Das stimmt nicht im Leben
und stimmt nicht als Leich.
Denn jede Frau ist an-
ders, und wer das nicht begreift,
der hat verdient, dass man
ihm seine Eier schleift.
Dies schreibt euch
ein Chauvinist,
der nicht viel weiß,
bloß wie es ist.
Wiglaf Droste
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Selbstmord, verunglückt
Die Nacht war kalt und sternenklar
in Norderney, im Februar.
Von Liebesleid und Gin besoffen
sah ich mein Ende nicht mehr offen.
In schweren jugendlichen Wehn
wollte ich dort ins Wasser gehen.
Dann kam die Flut mir an die Zeh´n.
Schon wars um den Entschluss geschehn.
Und ich entstieg dem eisgen Nass,
denn so macht Sterben keinen Spaß.
Ich dacht in abgekühlter Qual:
Nein danke, dann ein andermal.
Martin Buchholz
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Christian Morgenstern
Das Wörtlein
Kürzlich kam ein Wort zu mir,
staubig wie ein Wedel,
wirr das Haar, das Auge stier,
doch von Bildung edel.
Als ich, wie es hieße, frug,
sprach es leise: „Herzlich“.
Und aus seinem Munde schlug
eine Lache schmerzlich.
Wertlos ward ich ganz und gar,
riefs, ein Spiel der Spiele,
Modewort mit Haut und Haar,
Kaviar für zu viele.
Doch ich wusch's und bot ihm Wein,
gab ihm wieder Würde,
und belud ein Brieflein fein
mit der leichten Bürde.
Schlafend hats die ganze Nacht
weit weg reisen müssen.
Als es morgens aufgewacht,
kam ein Mund – es küssen.
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Das hat er sehr, sehr gut gemacht, der Christian Morgenstern!
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Chistoph Meckel
Als ich nach Hause kam
Als ich nach Hause kam,
traf ich einen Matrosen in meinem Zimmer,
der mit einem Kahn auf dem Schrank gelandet war
und sich bemühte, herunterzukommen -
den Grund seines Hierseins konnte er nicht erklären.
Gestern überraschte ich eine Ziegenherde,
die die Zotteln meiner Teppiche anfraß,
vorgestern einen Chinesen,
der meine Garderoben anprobierte und vorgab,
die Treppe nicht gefunden zu haben.
Wenn morgen ein Kranichzug ins Fenster fliegt,
dann ist das nicht seltsamer, als wenn übermorgen
ein Elefant kommt und mich bittet, ihn abzuwaschen.
Ähnliches wiederholt sich in den Nächten.
Ich werde das Zimmer aufgeben.
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Pumpen
Udogi-Sela
Ganz tief unten in der Erde
ruht viel Wasser; wie ein Meer.
Saufen müssen Küh’ und Pferde.
Wie kriegt man das Wasser her?
Dort, auf bunter Blumenwiese,
eine blaue Pumpe steht.
Bei der Pumpe lachend Liese,
und sie weiß auch, wie es geht.
„Liese, laß’ Dich bloß nicht lumpen!
Schreite durch das hohe Gras.
Zeige mir, wie geht das Pumpen?
Fest den blauen Schwengel faß’!
Rauf und runter mit der Stange,
bis nach einer kurzen Frist,
unter Deinem Jauchzgesange
sich das Naß im Schwall ergießt.“
Liese gluckst und keucht mit Wonne.
Becken voll, die Pumpe leer.
Liese strahlt so wie die Sonne.
Nein, das Pumpen ist nicht schwer.
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Die neuen Fernen
In der Stratosphäre,
links vom Eingang, führt ein Gang
(wenn er nicht verschüttet wäre)
sieben Kilometer lang
bis ins Ungefähre.
Dort erkennt man weit und breit
nichts. Denn dort herrscht Dunkelheit.
Wenn man da die Augen schließt,
und sich langsam selbst erschießt,
dann erinnert man sich gern
an den deutschen Abendstern.
Joachim Ringelnatz
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Peter Hacks
Der Walfisch
Der Walfisch ist kein Schoßtier,
Er ist ein viel zu groß Tier.
Er misst zweihundert Ellen
Und macht gewaltige Wellen.
Er redet nicht, er bellt mehr.
Er stirbt von keinem Schuss.
Er rudert durch das Weltmeer
Als Flossenomnibus.
Ein Zaun sind seine Zähne.
Die Nase ne Fontäne,
Der Schwanz sogar ein Plättbrett.
Aus seinem Leib man Fett brät.
Das Wasser kräuselt bläulich
Sich um den schwarzen Kloß.
Der Walfisch ist abscheulich
Groß.
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Heinz Erhardt
Kennst du den Ort?
Kennst du den Ort, wo es stets muffig riecht?
Die feuchte Kälte in den Anzug kriecht?
Wo stolze Flaschen stehen voll des Weins?
Wo Dosen dösen mit dem Schmalz des Schweins?
Wo Spinnen kunstgerecht die Wand „benetzen“,
und wo kein Stuhl ist, sich mal hinzusetzen?
Wo Kohlen frierend in der Ecke liegen?
Wo die Kartoffeln edle Keime kriegen,
die Waschmaschine wäscheharrend steht,
und wo des Wassers Haupthahn leise kräht?
Kennst du den Ort? O, Fremdling sprich!!
Du kennst ihn nicht? - Nun, aber ich!
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Im Sommer
In Sommerbäder
Reist jetzt ein jeder
Und lebt famos.
Der arme Dokter,
Zu Hause hockt er
Patientenlos.
Von Winterszenen,
Von schrecklich schönen
Träumt sein Gemüt.
Wenn, dank der Götter,
Bei Hundewetter
Sein Weizen blüht.
Wilhelm Busch
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Jungfernflug
Noch einmal packt sie diese Gier
Nach einem kalten Kavalier
Nach einem krummen Einzelgänger
Pferdefuß und Rattenfänger
Nach einem nassrasierten Schädel
Asketenleib mit kurzem Säbel
Nach einem scheuen Musterknaben
Neunmalklug in sich vergraben
Nach einem süßen Melodram
Einem Jüngling, der nicht zahm
Das Salz von ihren Füßen lutscht
Der nicht dienert, der nicht flutscht
Der nicht schwänzelnd sie umkreist
Sie nicht einseift, sondern beisst
Der nach tausend tiefen Blicken
Sich empfiehlt mit einem Nicken
Ach, sie ist ganz krank vor Gier
Nach einem kalten Kavalier
Barbara Maria Kloos
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Sie faule, verbummelte Schlampe
„Sie faule, verbummelte Schlampe“,
Sagte der Spiegel zur Lampe.
„Sie altes, schmieriges Scherbenstück“,
Gab die Lampe dem Spiegel zurück.
Der Spiegel in seiner Erbitterung
Bekam einen ganz gewaltigen Sprung.
Der zornigen Lampe verging die Puste.
Sie fauchte, rauchte, schwelte und rußte.
Das Stubenmädchen ließ beide in Ruhe.
Und doch: Ihr schob man die Schuld in die Schuhe.
Joachim Ringelnatz
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Wilhelm Lehmann
Alter Mann
Ein warmer Regenschauer fiel
Auf Buchsbaum, kugelig gestutzt,
Septemberapfel, wurmverhutzt;
Geruch von Dill und Petersil.
Die Wanderjahre sind nun aus,
Ich halte näher mich ans Haus.
Die Füße tragen nicht mehr lang.
So sitz ich auf der Gartenbank,
Ich leg den Kopf hinüber still
Und rieche Petersil und Dill.
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Auf dem Fliegenplaneten
Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut:
Denn was er hier der Fliege,
die Fliege dort ihm tut.
An Bändern voll Honig kleben
die Menschen dort allesamt,
und andere sind zum Verleben
in süßliches Bier verdammt.
In einem nur scheinen die Fliegen
dem Menschen vorauszustehn:
Man bäckt uns nicht in Semmeln,
noch trinkt man uns aus Versehn.
Christian Morgenstern
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Warte
Warte,
Balde auch du,
Nur ein Weilchen,
Sagt man.
Singt sie
Leanderlich:
Ich steh im Regen
Und Warte...
Hierbei,
Meine Lieben,
Ist mir
Noch nie
Liederlich
gewest.
Wolfgang Rimbach-Sator
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