Weinprobe
Da hockt er
Schaut in sein Glas
Dreht sanft den Kelch
Sonne gesammelt
Nase tief, andächtig
Trinkt den ersten
Schluck auf
Schauen zur Decke
Hebt ans Licht
Die vollen Lippen
Noch einmal Probe
Nicht kippen
Ein Nicken lehnt sich
Zurück in die schwarze
Bank, die Hand
Am Glas
Noch ein Schluck
Das Kinn in die Linke
Gestützt, die Rechte
Am Glas hält er sich
Fest und schaut
Tief hinein
In den Wein -
Herr Pfarrer, noch einen?
Hanne Mausfeld
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Resignation
Ja, so geht es in der Welt,
Alles fühlt man sich entgleiten,
Jahre, Haare, Liebe, Geld
und die großen Trunkenheiten.
Ach, bald ist man Doktor juris
Und Assessor und verehlicht,
Und was eine rechte Hur ist,
Das verlernt man so allmählicht.
Nüchtern wurde man und schlecht,
Herz, du dumpfer, dumpfer Hammer!
Ist man jetzt einmal bezecht,
Hat man gleich den Katzenjammer!
Klabund
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Ehe-Grammatik
Beim Satz
„Was machen wir?“
haben wir es mit einem
Scheinplural
zu tun
der in Wirklichkeit
aus zwei Singularen besteht
einem männlichen
und einem weiblichen.
Das männliche Singular lautet:
„Was mache ich?“
und das weibliche:
„Was machst du?“
Franz Hohler
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Es hat ein Gott
Es hat ein Gott mich ausgekotzt,
Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck,
und komm und komme nicht vom Fleck.
Doch hat er es noch gut gemeint.
Er warf mich auf ein Wiesenland,
Mit Blumen selig bunt bespannt.
Ich bin ja noch so tatenjung,
Ihr Blumen sagt, ach, liebt ihr mich?
Gedeiht ihr nicht so reich durch mich?
Ich bin der Dung! Ich bin der Dung!
Klabund
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Peter Hammerschlag
Franz, das freche Dromedar
Die Wüste ist aus gelbem Mehl.
Dort ging die schöne Frau Kamel
Mit ihrem Sohn, Franz Dromedar.
So gingen sie ein ganzes Jahr..
Zu Neujahr sprach die Frau Kamel:
„Oh Franz, du Kleinod meiner Seel!
Du hältst dich schlecht, geliebter Sohn!
Schau, einen Buckel hast du schon!“
Drauf schrie der Franz ganz frech: „Juchhei!
Du hast doch selbst der Buckel zwei!“
Da legt Mama ihn übers Knie
Und drosch das freche Buckel-Vieh.
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KUH BEIM FRESSEN
Sie wiegt die breite Brust an holziger Krippe
Und frißt. Seht, sie zermalmt ein Hälmchen jetzt!
Es schaut noch eine Zeitlang spitz aus ihrer Lippe
Sie malmt es sorgsam, daß sie's nicht zerfetzt.
Ihr Leib ist dick, ihr trauriges Aug bejahrt
Gewöhnt des Bösen, zaudert sie beim Kauen
Seit Jahren mit emporgezogenen Brauen
Die wundert's nicht mehr, wenn ihr dazwischenfahrt.
Und während sie sich noch mit Heu versieht
Entnimmt ihr einer Milch, sie duldet's stumm
Daß eine Hand an ihrem Euter reißt.
Sie kennt die Hand, sie schaut nicht einmal um
Sie will nicht wissen, was mit ihr geschieht
Und nützt die Abendstimmung aus und scheißt.
Eine Welt in der keiner regieren soll,
über die Arbeit und Mühe eines anderen,
Frei wird sein jedes Herz und Gehirn,
Das ist Anarchie
Eine Welt in der Freiheit jeden beglückt,
den Schwachen den Starken "ihn" und "sie"
wo "deins" und "meins" keinen unterdrücken wird
Das ist Anarchie.
(David Edelstadt)
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Personalkontrolle
Name, Alter und Adresse:
Göte, fuffzich, Iserlohn.
Sie nicht! Halten Sie die Fresse!
Er da! Aufstehn! Sag er schon!
Kapuzinerkresse heiß ich,
Aber: Siebenhundert Jahr.
Husum, Windelstraße dreißig..
Mann, das ist doch gar nicht wahr!
Kann er uns nicht offen sagen,
wer er ist? Wie alt? Von wo?
Jetzt, wo Sie mich danach fragen,
bin ich Albert Krupp und Co,
wohnhaft in endlosen Weiten
meiner Steppe – ja, was ist?
Aber nein – wer will denn streiten?
Ich sag Dir jetzt, wer Du bist:
Du bist König Heinrichs Neffe,
das, was von ihm übrig blieb.
Ach, wie schön, dass ich dich treffe,
Hände hoch, du Hühnerdieb!
Weißt du noch, wie die Husaren..
Halt! - Wo rennt der denn jetzt hin?
So wird er ja nie erfahren,
dass ich F.W. Bernstein bin.
F.W. Bernstein
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Eugen Roth
Die Affen
Gott schuf, soweit die Bibel gilt,
Den Menschen als sein Ebenbild.
Und sie erzählt nun ziemlich lange
Vom Paradies, vom Apfel, Schlange,
Erbsünde, Sintflut und Messias.
Die Forschung aber sucht im Trias
Und späterhin im Tertiär,
Ob nicht darin zu finden wär
Das lang gesuchte Bindeglied,
Aus dem es auch der Blinde sieht,
Dass wir, vermutlich Gottes Kind,
Nur ganz gemeine Affen sind.
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Waidblick
Finken flöten in den Zweigen
Filigran und vielerlei.
Waldameisen übersteigen
Moosbewuchs und Akelei.
Bache, Frischlingsschar und Keiler
Wogen in der Lichtung Glanz.
Niemals war die Welt mir heiler,
Nie so frei von Firlefanz.
Um den Tag auch zu beschließen,
Glücklich und im Herzen still,
Muss ich, Bruder Sau, dich schießen,
Wenn ich abends grillen will.
Marco Tschirpke
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Der Mondschein fiel auf das Pflastergestein
Der Mondschein fiel auf das Pflastergestein,
Und was denkt ihr, geschah? Es brach sich ein Bein.
Worauf er bleich und schlummernd dort lag,
Bis man ihn auffand am nächsten Tag.
Im Polizeibericht stand dann zu lesen,
Es sei Isidor Mondschein aus Wien gewesen.
Verunglückt dank Black-Out und Trunkenheit.
Man geht auch nicht aus zu so einer Zeit.
Erich Fried
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Donnerkarl, der Schreckliche
Reich mir meine Platzpatronen,
Denn mich packt die Raserei!
Keinen Menschen will ich schonen,
Alles schlag ich jetzt entzwei.
Hunderttausend Köpfe reiß ich
Heute noch von ihrem Rumpf!
Hei! Das wilde Morden preis ich,
Denn das ist der letzte Trumpf?
Welt, verschrumpf!
Paul Scheerbart
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Unreim
Ich drücke Reime aus,
durchs Reimen drück ich mich aus.
Reimen ist ein Muss,
doch damit ist jetzt Schluss!
Reime, die sich reimen,
das kann jeder,
Reime, die sich nicht reimen,
das ist schon schwerer.
Er sieht aus wie ein Reim,
und ist gar kein.
Verdammt, es klappt nich,
immer reim ich.
Reimen, reimen,
ich reim euch einen.
Blaukraut bleibt Blaukraut
und Reimzwang bleibt Reimzwang.
Johann König
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Fritz Endrikat
Philosophie im Hochsommer
Der übergroßen Weisheit der Natur
kommt man erst ganz allmählich auf die Spur.
Man nimmt so manches oberflächlich hin,
doch hat das kleinste Ding sehr tiefen Sinn.
So hat zum Beispiel eine Kuh das Horn,
damit sie weiß, was hinten oder vorn.
Mit einem Schlage wird mir nun bewusst,
wozu der Mann die Warzen an der Brust.
So quält und foltert man das arme Hirn
und denkt hernach: Wer weiß, man kann sich irrn.
Wenn man auch wirklich einen Fehlschuss macht.
Doch immerhin, man sieht: Es wird gedacht.
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Kaffeeklatsch
Frau Müller, Frau Meier, Frau Schulze, Frau Schmidt,
Die saßen zusammen beim Kaffee zu dritt.
Die Vierte war nämlich zu Hause,
Sie hatte Kaffeeklatschpause.
Die anderen aber berieten zu zwein,
Wer von den Vieren die Dritte sollt sein,
Und kamen in hitzigem Rate
Zu keinerlei Schlußresultate.
Kurt Schwitters
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Sonntagsbraten
dein Lichtschutzfaktor
schmeckt mir nicht
also wälze ich dich
in Olivenöl lasse dich
schmoren bei vierzig
Grad Sonnenbrand
um dich heiß und knusprig
nach zwei Viertelstunden
zu vernaschen
Konstanze Reupsch
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