Bilanz
Wir hatten manchen Weg
zurückgelegt,
wir beide, Hand in Hand.
Wir schufteten und schufen
unentwegt
und bauten nie auf Sand.
Wir meisterten sofort,
was uns erregt,
mit Herz und mit Verstand.
Wenn man sich das so richtig
überlegt,
dann war das allerhand.
Hein Erhardt
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Schlaflied
für Johannes Heinrich Schultz
Wenn du schlaflos bist und die Gedanken
sich um deinen Alltagskummer ranken,
dann versuch dir Wiesen, Blumen, Quellen
und ein Reh am Waldrand vorzustellen.
Halte es beim Autosuggerieren
aber bitte mit den sanften Tieren.
Wölfe, Haie, Tiger und Hyänen
lassen dich erschrecken und nicht gähnen.
Auch in der Botanik bei den Blüten
musst du dich vor Fehlvisionen hüten.
Löwenzahn zum Beispiel macht nur Bange:
Drohend naht der Zahnarzt mit der Zange.
Kurz: Du solltest Ärger, Ängste, Leiden,
alles was die Nerven schädigt, meiden.
Stell dir Episoden vor und Sachen,
die dich fröhlich und nicht hektisch machen.
Schultz vererbte praktikable Thesen.
Wer sich ihrer annimmt, kann genesen.
Autofahren ist kein Leistungsmesser.
Autogen gesteuert fährst du besser.
Hansgeorg Stengel
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SZ
Nein, der Reform will ich mich niemals fügen,
bleib lieber ewig gestrig, unmodern.
Die alte Schreibung macht mir mehr Vergnügen,
wie auch die Reime von dem „alten Herrn“.
Ich schreibe selber Lyrisches bisweilen,
auch wenns nicht „in“ ist, manchmal ein Sonett,
halt was Gereimtes, so in vierzehn Zeilen,
und daß am liebsten eben – mit SZ.
Ich weiß, das „daß“ war eben nicht ganz richtig,
doch daß das „daß“ nicht „dass“ heißt, das ist wichtig,
und das daß „daß“ nicht völlig untergeht.
Ich mag das „daß“ und dich, SZ, bedicht ich.
Auf euer Reformieren, da verzicht ich
und hoffe, daß das „daß“ das übersteht.
Michael Schönen
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Eisenbahn
Auf kühlen Eisen
Will ich verreisen,
Auf einer Bank, die rattern tut.
Schischischischischen.
Der Dampf dazwischen,
Das tut den kranken Nerven gut.
Die Passagiere
Sind Wirbeltiere
Und haben weiter keinen Zweck.
Die meisten scheinen
Das nicht zu meinen,
Doch diese wissen einen Dreck.
Am meisten vorne
Auf dem Balkorne,
Da steht ein Mann, der führen kann.
Diktatoren
Sind unverfroren
Und geben meist gewaltig an.
Kurt Schwitters
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Mahlzeit
kommt einer
bereitet dir die zutaten
hängt das rind gut ab
filetiert den fisch
klopt das schwein weich
paniert die pute
dass dir das wasser zusammenläuft
hat die teller vorgewärmt
die süppchen die antipasti
die gemischten salate
abgeschmeckt mit kräutern
die gürkchen die köllschen
süßsauer eingelegt
richtet dir später die schenkel
lässt das bauchfleisch die nierchen die lende
braten schmoren dünsten
wie das zergeht auf der zunge
wie das mundet die kartöffelchen
die böhnchen die sößchen
alles würzig sämig gebuttert
für den seligen seufzer
und jetzt
espresso
Paul Pfeffer
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vier herren
vier herren stehen im kreise herum
der erste ist groß der zweite ist krumm
der dritte ist dick der vierte ist klein
vier herren stehen im lampenschein
der erste ist stumm der zweite ist still
der dritte sagt nichts der vierte nicht viel
sie stehen im kreise und haben sich jetzt
die hüte auf ihre köpfe gesetzt
Ror Wolf
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Bertold Brecht
Sonett Nr. 5. Kuh beim Fressen
Sie wiegt die breite Brust an holziger Krippe
Und frisst. Seht, sie zermalmt ein Hälmchen jetzt.
Es schaut noch eine zeitlang spitz aus ihrer Lippe
Sie malmt es sorgsam, dass sie´s nicht zerfetzt.
Ihr Lid ist dick, ihr trauriges Aug bejahrt;
Gewöhnt des Bösen, zaudert sie beim Kauen
Seit Jahren mit emporgezognen Brauen -
Die wunderts nicht, wenn ihr dazwischenfahrt!
Und während sie sich noch mit Heu versieht
Entzieht ihr einer Milch. Sie duldet stumm
Dass seine Hand an ihrem Euter reißt.
Sie kennt die Hand. Sie schaut nicht einmal um
Sie will nicht wissen, was mit ihr geschieht
Und nützt die Abendstimmung aus und scheißt.
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Hamburger Hurenlied
Wir Hamburger Mädchen habens fein,
Wir brauchen nicht auf dem Striche sein.
Wir wohnen in schönen Häusern
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
Es kommen Kavaliere, Neger und Matros,
Die werden bei uns ihre Pfundstücke los.
Sie liegen uns am Busen
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
Madam kocht schlechtes Essen, Sami spielt Klavier,
Mit den Kavalieren tanzen wir,
Fließt ein Taler drüber,
Wird er Madam gebracht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
Eines Tages holt die Sitte uns hinaus,
Und sie sperrt uns in das graue Krankenhaus.
Dann sind wir tot und sterben
Wohl bei der Nacht,
Ahoi!
Weil es uns Freude macht.
Klabund
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Schöne Sätze
Der Schatten
ist die Schrift
der Sonne.
Die Krähen
sind die Möwen
Afrikas.
Kaum einer
denkt jetzt
außer mir
an Feendärme.
Franz Hohler
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Rolltreppenpanik
Florian Scharf
Deichmanns neue Geoxschuhe
verfangen sich in den Rillen
der gestuften Laufbänder,
die Menschen forttragen
von ihrer Identität.
Gefangen von maximalistischem
Materialismus fressen sie
Fastfoodketten leer, um dann
ihr Leben zu investieren,
wo sich Worte in Slogans prostituieren.
Ihr glaubt wohl noch an Geld!
Und vor den Ladentüren, die sich
wie Müllcontainerklappen auf-
und zuschieben, stehen Männer
wie Hunde, als wär‘ in Mekka heut‘
kein Platz für Kapitalismuswölfe.
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Dichterpflicht
Was in Menschenseelen wühlt,
was das Herzelein so fühlt,
gibt, weil er das soll,
der Poet zu Protokoll.
Soll der Dichter Anteil nehmen
an bedeutungsvollen Themen?
Politik und Geld und Gott?
Korruption – Schockschwerenot?
Aber das ist Lyrikwahn.
Wichtig ist mein Wasserhahn!
Spritzt er, pladdert er und tropft?
Er ist undicht und verstopft.
.
Wasserhahn? War nur ein Scherz!
Lyrik ist doch Herz und Schmerz.
F.W. Bernstein
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Die Wühlmaus
Die Wühlmaus nagt von einer Wurzel
das W hinfort, bis an die-urzel.
Sie nagt dann an der hintern Stell
auch von der urzel noch das l.
Die Wühlmaus nagt und nagt, o weh,
auch von der-urze-noch das e.
Sie nagt die Wurzel klein und kurz,
bis aus der -urze- wird ein -urz.
Die Wühlmaus ohne Rast und Ruh
nagt von dem -urz- auch noch das u.
Der Rest ist schwer zu reimen jetzt,
es bleibt zurück noch ein -rz-.
Nun steht dies -rz- im Wald allein.
Die Wühlmäuse sind so gemein.
Fritz Endrikat
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Joachim Ringelnatz
Beobachtungen über dünne und dicke Frauen
Heute dünn und morgen dick:
das ist das weibliche Geschick.
Den Unterschied von dünn und dick
erkennt man auf den ersten Blick.
Wer nur der dicken Frau vertraut,
der hat auf keine Braut gebaut.
Die dünne Frau sitzt angesichts
der Magerkeit beinah auf nichts.
Die Lerche steigt ins Wolkenblau.
Wie anders ist die dicke Frau!
Die dünne Frau ist leicht verstimmt,
wenn man ihr Rückenmark entnimmt.
Wenn dicke Frauen rasch verwesen,
so stört das sehr beim Zeitungslesen.
Wenn man die dünne Frau befühlt,
dann wird man bald recht abgekühlt.
Wenn man an dicken Frauen tastet,
dann spürt man erst, was sie belastet.
Im Gegensatz zu den sehr dicken
sind dünne Fraun leicht zu verschicken.
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Waschtag
Waschmaschine, dreh dich nur,
dreh dich immer mit der Uhr,
mach dich nass und mach dich trocken;
stundenlang könnt ich hier hocken,
um dir – ähnlich wie bei Frauen -
voller Eifer zuzuschauen,
wie du feucht wirst mit was drin,
hochverehrte Sünderin,
es dir vor mir selber machst,
deine Lust verhundertfachst,
immer schneller dich bewegst,
wie du es zu machen pflegst,
wenn dann das Finale ist,
kurz bevor du trocken bist..
Schon vorbei? - Doch frohe Kunde:
Jetzt kommt gleich die nächste Runde!
Jan Eike Hornauer
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Séance
Hier ists, wo unter eignem Namen
die Buchstaben sonst zusammenkamen.
Mit Scharlachkleidern angetan,
saßen die Selbstlauter obenan:
A,E,I,O und U dabei,
machten gar ein seltsam Geschrei.
Die Mitlauter kamen mit steifen Schritten,
mussten erst um Erlaubnis bitten.
Präsident A war ihnen geneigt;
da wurd ihnen der Platz gezeigt,
andere aber, die mussten stehn,
als Pe-Ha und Te-Ha und solches Getön.
Da gabs ein Gerede, man weiß nicht wie:
Das nennt man eine Akademie.
Johann Wolfgang von Goethe
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