Ballade von der Himmelfahrt des treuen Dieners

Der Caesar sprach zum Priester:
„Nimm Sklaven oder Biester“
Der Haruspex sprach: „Nein,
das tu allein!

Lies du dir lieber Zeichen
aus Vieh- und Sklavenleichen!
Der Himmel ists, der winkt -
Dein Opfer stinkt.“

„Doch die uns kennenlernen“
sprach Caesar „die krepieren“
Der Priester schnitt sich drauf
das Bauchfell auf.

Der Greis war zu beneiden
in seinen Eingeweiden
begann er ohne Grauen
sich selbst zu schauen

Ob dieser seltnen Chance
geriet er gleich in Trance
in der er sich verhieß
das Paradies

Das lohnt schon manche Schmerzen
Er griff sich nach dem Herzen
Er fands am rechten Fleck -
dann war er weg

Erich Fried

Konzert einer Klavierlehrerin

Die dicke Dame mit den Sommersprossen,
Die tief sich in die Dekolletage wagen -
Ich wünsche Bluse ihr und steifen Kragen, -
Sitzt schon am Flügel, fett und hingegossen.

Die Noten ziehn gleich Pompefunébre-Rosen.
Chopin, der Trauermarsch..und so getragen..
Ich fühle nur ein leeres Missbehagen,
Von dieses Weibes Übermaß verdrossen.

Die Schülerinnen sitzen in der Runde
Und tun entzückt und hassen sie im Stillen.
Zehn Rosenkörbe glühn wie milde Fackeln.

Aufleuchtend lieblich aus dem Hintergrunde,
Und schauen aus geängstigten Pupillen
Auf ihre Brüste, die im Takte wackeln.

Franz Werfel

Geheimnis

Vielleicht sind Fliegen heimlich klug
Und senden ihre Zeichen.
Vielleicht soll jeder Fliegenflug
Bei uns etwas erreichen.

Ist jede Kurve ein Signal?
Steckt hinter ihren Schleifen
Wohl eine Botschaft jedesmal,
Die wir nur nicht begreifen?

Und jene Punkte, welche sie
Auf Dingen hinterlassen -
sind´s Punkte einer Theorie,
Die Menschen bloß nicht fassen?

Sind Fliegen wohl wie ich und du
Vernunftbegabte Wesen?
Es könnte sein. Doch ich geb´s zu:
Ich kann das Zeug nicht lesen.

Beat Zwicky

Fragen eines lesenden Maulwurfs

Wo ist die Weisheit mit dem Silberbart?
Wo sind die Köpfe, wo Vernunft sich paart
mit Unverstand, mit toter Ironie?
Wo ist die krause, liebe, grüne Industrie?

Wo ist der rote Bart der Anarchie?
Wo sind die Kinder, die nicht wissen wie
das Hirn ins Herz springt oder umgekehrt?
Dem Maulwurf ist ein Suff acht Zeilen wert.

Rolf Bossert

An den Mann im Spiegel

Du bist ein krummer, dummer Hund!
Und hast es doch so gut gehabt,
Bist gar nicht reich und bist gesund,
Auch größtenteils nicht unbegabt.

Du altes Schwein im Trüffelbeet,
Weißt du auch stets, wie gut dir´s geht?

Du, spring nicht über Schranken,
Die höher, als du selbst bist, sind,
Vergiß nie, täglich wie ein Kind
Für alles tief zu danken.

Joachim Ringelnatz

Sonett an den widerspenstigen Hefeteig

Der Du Backwerk werden solltest!
Der Du, wohl mit Mehl bestaubet,
mir, der an dich geglaubet,
zeigtest, dass Du das nicht wolltest.

Trotzend jenen Hefemassen,
die ich Dir zum Trieb gegeben,
um Dich mählich zu erheben,
hast Du Dich nicht gehen lassen.

Kohlensäurearmer Fladen,
Du verhüllst mir jede Blähung,
statt zu gehen, gehst Du baden.

Träge, dumpf und unverfroren
liegst Du, teigentrückte Schmähung,
auf dem Tisch und bist verloren.

Christoph Falkenroth

Tierisches Frühstück

Gabelbock und Löffelhund,
Messermaus und Tellerflunder,
Tassenqualle, Kaffeegnu,
Buttermops und Brotholunder,
Musgazelle, Hörnchenlachen -
Und der Mensch kann Frühstück machen.

Milchfrosch, Breikatz, Honigschaf,
Schnittentiger, Zuckerfliege,
Eierbarsch und Apfelhahn,
Graubrotochse, Kräuterziege,
Musgazelle, Hörnchenlachen -
Und der Mensch kann Frühstück machen.

Gurkenhai und Schnittlauchspatz,
Grieskamelund Käsegeier,
Würstchenotter, Schinkenolm,
Brettchenwurm und Joghurtreiher,
Musgazelle, Hörnchenlachen -
Und der Mensch kann Frühstück machen.

Kurt May

Idylle

Im Gras zirpt eine Grille
Im Dorfe bellt ein Hund
Wie ist die Nacht so stille
Leg dich zu mir, Sybille
Und reich mir deinen Mund

Der Wind riecht nach Kamille
Nach Rosen und nach Raps
Leg dich zu mir, Sybille
Dein Mund hat mehr Promille
Als scharfer Zwetschgenschnaps

Streif ab die letzte Hülle
Die dich von mir noch trennt
Ich teil mit dir, Sybille
Des Sommers dunkle Fülle
Was man so Liebe nennt

Leg dich zu mir, Sybille
Warum bist du so scheu?
Wozu gibt es die Pille?
Im Gras zirpt eine Grille
Leg dich zu mir ins Heu

So ist es Gottes Wille
Er schuf ja auch das Heu
Er schuf im Gras die Grille
Und mich und dich, Sybille
Und auch die Nacht: Ahoi

Volker von der Törne

Heisweit

Ich sag dir nur eins:
Das Kleben ist Lasse.
Mein Motto sei deins:
Hab Speude am Frasse.

Es gibt auch mal Kummer,
nen finkenden Sturz,
nun sei doch kein Dummer,
der Schnummer ist Kurz.

Lass Vorsicht stets walten,
der Furz folgt dem Stall,
es bleibt nichts beim Alten,
ist Fausern dein Knall?

Mach alles mit Liebe,
im Schmette mal Busen,
sonst kriegst du nur Hiebe,
lass Müssen die Kusen!

Sei froh in Natur,
mit Mienen und Bücken,
mach schlank die Figur,
mit Beben und Hücken.

Hab Freude am Leben,
nimm Leit dir zum Zachen,
kanns Schöneres geben
als Mustiges Lachen!

Heinz Welter

Einige Fragen an die Meteorologen

Wenn ein Maximum auf der Biscayasee
Und ein Minimum über der Dauphinè,
O, dass ihr die Frage mir nicht verargt,
Weshalb regnet es dann auf dem Spittelmarkt?

Wenn ein Minimum über dem Kattegat
Und ein Maximum lagert auf Hermannstadt,
O, spendet mir eurer Weisheit Schatz,
Wieso regnet es dann auf dem Nollendorfplatz?

Wenn ein Maximum drückt auf den Appenin
Und ein Minimum schwebt übern Engadin,
O, saget mir an, ich bin ganz Ohr,
Warum regnet es dann am Potsdamer Tor?

Wenn ein Minimum liegt auf dem großen Belt
Und ein Maximum über Südrußland hält,
Jetzt gebt mir Bescheid, sonst werd ich grob:
Was pladdert es immer mir auf dem Kopp???

Alexander Moszkowski

Casanovas Berufung

An dem Ziehen in den Eiern
merkt er: Du bist nicht alleine.
Spürt er: Da ist noch die eine,
die es gäbe abzufeiern,
so lang bis,
Dieses Ziehen in den Eiern
sich so gibt wie das Begehren,
sie zu drücken, zu beschweren,
einer unter hundert Freiern,
ganz schön fies,
Dass das Ziehen in den Eiern
mir bedeutet: Hirn und Denken
kannst du dir fürs erste schenken.
Andres gilt es Anzuleiern:
Ran ans Biest!

Robert Gernhardt

Der jüngste Tag

Wenn die Zeit sich von den Uhren trennt
und alle Völker sich erheben,
wird aufgerufen zu dem Konvent,
der abschließt alles Erdenleben.
Es gibt kein Schwarz, kein Gelb, kein Weiß,
nur Menschenkinder Hand in Hand.
Und jeder Gott schließt nun den Kreis,
den man den Sinn des Lebens hat benannt.
Millionenfach die Völkerschar.
Auch du fühlst dich bereit,
und die Erkenntnis scheint dir klar,
Jesses, was e Haufe Leit!

Gerd Dudenhöffer

Saublöde Spähaffären

Es läuft deine Nase, aus dem Hals Gebell:
ein Infekt! Mein Geheimdienst, mach schnell!
Schon rasselt der Durchfall und schluckweise Schleim.
Spucks aus! Von wegen geheim!

Doch Lauras erster Wackelzahn -
geheim? Wen geht er an?
Da! Er ist raus! Schon wird er gespeichert.
Dieser Verlust hat uns alle bereichert.

Und dieses Gedicht? Brillante Satire?
Herr Großinquisitor, tun Sie das Ihre!

F.W. Bernstein

Stau Barbara

Das Wetter wird persönlich nah,
wenn man Hochs und Tiefs mit Namen kennt.
Ein Tief heißt demnach Barbara,
das Hoch sich Alfred nennt.
Genauso häufig unpersönlich
sind Baustelln auf der Auto-Route,
ich fände es nicht ungewöhnlich,
nennt man sie schlichtweg einfach: Ute.
Ich stau' seit Stunden in Sabine,
die Nerven völlig aufgerieben,
um wenig später in Christine,
zum x-tenmal auf der A7.
Ich stand in Rosi, kam in Rage,
geraume Zeit auf der A4.
Dann endlich seh ich die Garage,
unn dort steht's Gudrun uff de Dier.

Gerd Dudenhöffer

Ungleiches Paar

Ich sah sie durch den Kurpark schreiten,
Die Baronesse und ihren Gemahl,
Sie schien mir schön,nicht zu bestreiten,
Er war mir fürchterlich egal.

Wir sprachen an der Wiesenfläche,
Als die Gelegenheit sich bot,
Sie war sehr geistvoll im Gespräche,
Und er sprach wie ein Idiot.

Sie tragen zwar denselben Namen
Und sind sich dennoch weltenfern:
Denn sie gehört zu den herrlichen Damen,
Und er gehört zu den dämlichen Herrn!

Alexander Moszkowski