Dreisprung – 3 X vertreten

Alles, was was ist,
schmeiß ich auf den Mist.

Alles, was was war,
spül ich ins Pissoir.

Nur was gar nichts werden kann,
fang ich gleich noch heute an.

Peter Rühmkopf

Sommer-Melancholie

Sanft richtet sich das Abendrot zugrunde,
kein Vogel tschilpt im Nest.
Der alte Fuchs dreht seine Runde
Und wünscht dem Wienerwald die Pest.

Der Fliegenpilz behandelt seine Akne
und streut sich Puder unter die Lamellen.
Der alte Bock sitzt still auf seinem Bänkchen
und checkt von weitem die Gazellen.

Auch ich geh jetzt von hinnen
im letzten Tagesscheine
dem Abendrot entrinnen.
Und du, oh Leser, weine.

Simon Borowiak

Krimi

Leiche liegt im Morgenrot,
ist seit sieben Stunden tot.
Tatort: Morghof. Absperrband.
Waffe: Stumpfer Gegenstand.
Staatsanwalt: „Was haben wir?“
„Fremdeinwirkung. Kein Klavier.“
Wer der Täter wirklich war?
SPUSI sagts dem Kommissar.
Mord in tiefer Dunkelheit,
Elfmeter in der Nachspielzeit -
Was, wir sind im Sportbericht?
Es gibt keine Leichen nicht?
Der Elfer, der war drin!
Immerhin.

F.W.Bernstein

Späte Einsicht

Ich hab mein halbes Leben,
Und habs erst heut kapiert,
Beim manchem guten Schachspiel
Ganz fehlerhaft rochiert.

Da nun mein Auge offen
Und quasi neu bebrillt:
was, wenn das auch fürs Küssen
Und alles andre gilt?

In allen diesen Fällen
Jedoch ist eines klar:
Dass stets mein Gegenüber
Genauso dämlich war.

Marco Tschirpke

Briefe, die ihn nicht erreichten

Ein Mensch denkt oft mit stiller Liebe
An Briefe, die er gerne schriebe.
Zum Beispiel: „Herr! Sofern Sie glauben,
Sie dürften sich alles erlauben,
So teil ich Ihnen hierdurch mit,
Dass der bewusste Eselstritt
Vollständig an mir abgeprallt -
Das weitere sagt mein Rechtsanwalt!
Und wissen Sie, was Sie mich können?..“
Wie herzlich wir dem Menschen gönnen,
An dem, was wir nie schreiben dürfen,
Herumzubasteln in Entwürfen.
Es macht den Zornigen sanft und kühl
Und schärft das deutsche Sprachgefühl.

Eugen Roth

Bar

Es glitzern Augen und Kristall,
er riecht nach Zigaretten,
nach Gin, Parfum und Sündenfall,
White Label und Manhatten.

Das Angelsächsische floriert,
und glattrasierte Männer
entpuppen sich, darin versiert,
als wahre Whisky-Kenner.

Sie trinken selten Bier und Wein,
dafür den obligaten
Four Roses oder Sixty-nine,
wie drüben in den Staaten.

Gedämpfte Jazzmusik ertönt
und kitzelt leis die Nerven,
und selbst wenn Armstrong heiser stöhnt,
klingts doch wie aus Konserven.

Der Barstuhl wird zum Beichtgestühl,
die Barmaid zur Vertrauten.
Ihr offenbart man mit Gefühl
die Dinge, die sich stauten.

Sie laust und gibt aus Mitleid schon
(und andrer Gründe wegen)
uns ihre Absolution..
Ist nicht die Bar ein Segen?

Fridolin Tschudi

Wie wäre es mit einem Borschtsch?

Man nehme erstens circa sieben
Fein abgeschälte rote Rüben.
Dann hacke man den Weißkohl klein,
Tu Zwiebel, Salz und Essig rein.
Im Hammelfleisch muss man das kochen,
Auf kleiner Flamme, sieben Wochen.
Jetzt Kaviar mit Wodka ran
Nebst Zimt und frischem Thymian.
Nun schüttet man das Ganze aus
Und ißt am besten – außer Haus.

Mascha Kaleko

Das Kamel

Auf Helgoland auf Helgoland
stand ein Kamel am Klippenrand
wo ein Kamel nicht hingehört
(obwohl es auch nicht weiter stört)

in der Wüstenflimmerhitze
hielt es unsre Leuchtturmspitze
für ne Pyramidenkuppe
aus der Pyramidengruppe

irrtümlicherweise rannte
es vom fernen fernen Nil
bis an unsre Klippenkante
wo es fast ins Wasser fiel

von der Meeresgischt befeuchtet
und vom Leuchtturmlicht beleuchtet
sah es voller Kummer ein
wirklich ein Kamel zu sein

Jan Koneffke

Ein gedicht, ein einziges, kurzes gedicht
müsste doch
drin sein
an diesem tag
heute, freitag
der 22. februar
oder wenigstens
ein paar zeilen
konservierbar
für morgen
einen besseren
tag vielleicht
oder wenigstens
ein wort
ein einziges
einzelnes
wort

stummheit
geschwätzigkeit

jetzt sind es zwei

Ernst Jandl

Elegie vor der Haustüre

ick warte und wees nich uff wen
Und steh schon seit acht uff´n Posten,
Und jetz iß es zehn.
Man müsste mal in´n Lunapark jehn,
Das kann doch so ville nich kosten.

Wie machen die andern das bloß,
Die sieht man doch täglich poussieren,
Die werden es los.
Mir setzt sich keen Aas uff´n Schoß,
Wie soll man denn da eene vafieren?

Da wart´ma und wartet und wart´
Und keener kommt und sagt:“Kleener“,
„Das Leben ist hart“,
„Komm mit! Ick bezahl auch die Fahrt.“
und ick sehn mir doch so nach so eener.

Das jibt es wohl bloß im Roman.
Am besten bleibts, ma vazichtet
Und jeht in´n Kahn.
Und denkt, man hätt es getan,
Bis dass sich die Sehnsucht vaflichtet.

Werner Fink

Antwort an einen Kollegen

Ob du Artist, ob du Franz Liszt,
Ein Christ, ein Mist, ein sonst was bist,
Bezweifle es. Und dir zum Heil
Bezweifle auch das Gegenteil.

Was dir die Ideale nimmt,
Der Satz: dass nichts, was zutrifft, trifft,
(Ein Satz, der darum selbst nicht stimmt)
Ist nur für Überlegene Gift.

Doch hüte ich dich, an diesem Satz
Zu glauben, gar ihn zu betonen.
Freu dich an Hatz und Schmatz und Spatz,
An Unzucht oder Kaffeebohnen.

Doch sollte etwas in dir wohnen,
Bewirkend, dass du mich verstehst
Und lachst und dankbar weitergehst
Und dennoch etwas Bessres weißt,
Dann glaub ich, dass du richtig reist.

Joachim Ringelnatz

Aus dem Tagebüchlein des Pfäffchens Plustersen

Ich bin Pfaff-Herr.
Ich will keine anderen neben mir.
Über Heerscharen
Leergepredigter Kirchenbänke
Mein Odem.
Und wenns hochkommt,
Befrage ich mich
nach meiner
Pfarramtlichen Zufriedenheit
Und saniere Gemäuer.

Wolfgang Rimbach-Sator

Humor

Humor ist sozusagen unser Senf des Lebens.
Er macht ein Stücklein trocken Brot zum Leibgericht.
Wer ihn nicht selbst besitzt, der hamstert ihn vergebens,
so hat man ihn entweder – oder hat ihn nicht.

Humor ist schwierig oder gar nicht zu ergründen.
Er ist stets taktvoll, niemals vorlaut und nicht spitz.
Humor ist zu erleben und nicht zu erfinden,
Im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder Witz.

Humor ist unser Freund in allen Lebenslagen,
weil er dem Herz entspringt und nicht dem Intellekt.
Man kann zum Beispiel mit Humor die Wahrheit sagen,
so dass sie uns bekommt und halb so bitter schmeckt.

Humor blüht auch an kühlen Dauerregentagen
und stimmt uns fröhlich, wenn es noch so schaurig ist.
Ja, mit Humor lässt sich sogar ein Humorist ertragen,
und wenn er wirklich noch so traurig ist.

Fred Endrikat

Ausg´steckt ist

Der Tag ist tot und liegt als Leiche da.
Die Kerzenlichter wollen vom Abend naschen,
Vier Männer in der Ecke singen, paschen
Und spielen Süßholz und Harmonie.

Die Menschen plärren mit und wollen spaßen.
Froh bohrt ein Herr die Hände in die Taschen.
Ein Mädel schaut verklärt auf leere Flaschen
Und will sich an die Brüste greifen lassen.

Der Eros kriecht auf einer Blätterdecke,
Besauft sich an Gemüt und Wein und prahlt,
Singt gröhlend: ´Wienerwald, o Wienerwald..´

zum Spaß will er sich rasch den Mond noch fangen
Und ist auch schon mit einem Weib gegangen,
Schreit ´Servas` und verschwindet um die Ecke..


Heinrich Nowak

Den Unverstandenen

Stumm ist der Fisch, doch nicht nur er:
auch einen Wurm verstehst du schwer.

Selbst deines treuen Hunds Gebell
entzifferst du nicht immer schnell.

Auch bei den Rindern, Hühnern, Schweinen
kannst du nur raten, was sie meinen.
Drum spreche ich als Anwalt hier
für jedes unverstandne Tier.

(Für Papagei brauch ich das nicht,
weil er ja für sich selber spricht)

Heinz Erhardt