Das Festland
Tief unten, wo die Zwerge
Hämmern und feilen,
Muss man eilen.
Hoch oben, wo die Adler
Jagen und morden,
Muss man auch eilen -
Nur auf dem Festlande
Kann man ruhig sitzen,
Ohne zu schwitzen -
Man kann da auch liegen.
Ja, ein Festland ist das feste Land!
Wüsst ich nur, wo das Festland liegt!
Paul Scheerbart
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Gehirnwaschanleitung
Gehirne sind feinfühlig!! Waschen Sie sie
Nur in der Marketingmaschinerie!
Ein Schuss Daily Soap und, je nach IQ-Stufe,
Zusätzlich AufschneideRei aus der YouTube.
Erst das Hirn einweichen, zwanzig Minuten -
So, dass die Reize es ganz überfluten,
Die Klappe schön halten und schleudern, dann raus da,
Auf Hyperlinks kommt das Hirn in den Browser:
Mit Angebotsschwemmen wird rundum bescheuert,
Charakterfarben per Werbung erneuert,
Und schließlich nach ideeller Verklärung
Dreht man es kurz durch die Mangelernährung -
Tada“ Egal, wie verschmitzt es genau war:
Selbst graue Zellen sind geistesblitzsauber!
Philipp Scharri
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Der Fuchs und die Gans
„Komm, Fuchs, wir wollen Frieden schließen,
was nützt die Feindschaft mir und dir?
Ich muss mein Gras in steter Furcht genießen,
und du wirst auch die Raubbegier
gewiß einst mit dem Tode büßen,
drum lass uns lieber Freunde sein!“
Vortrefflich, kluge Gans, ich geh den Antrag ein.
Die Feindschaft bringt uns freilich nicht Gewinn.
Wohlan, der Friede sei geschlossen!“
„Er sei, ich schwörs, auf ewig fest geschlossen!“
„Ja – bis ich wieder hungrig bin!“
Johann Gottlieb Willamov
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Matrosenlied
In Algier sind die Mädchen schwarz,
Was macht denn das, mein Kind?
Wenn sie nur sonst an Kopf und Herz
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Auch zu gebrauchen sind.
Sie sind wie Schokolade schwarz,
Und beißt mal einer an,
So spürt er gleich an Kopf und Herz
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Was so ein Mädchen kann.
In Hamburg sind die Mädchen weiß
Und auch in Kiel, hurra!
Blau ist das Auge, blond das Haar,
Und, Schatz, das andre weißt du schon,
Grad wie in Afrika.
Klabund
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ich küsse heiß
ich küsse heiß den warmen sitz
da wo du breit gesessen bist
und küsse heiß den warmen sitz
damit mein mund dich nicht vergisst
warum ist denn dein arsch so warm
warum ist denn dein arsch so rund
hier saß das end von deinem darm
am sessel klebt mein heisser mund
doch du sitzt wieder anderswo
du liebst mich nicht du weichst mir aus
warum bist du zu mir so roh
es schmeckt mir weder trank noch schmaus
knie hinter dir bis du erhebst
und dein gesäss vom sitze hebst
dann bohrt sogleich sich mein gesicht
wild in den sessel bis er bricht
warum ist denn dein arsch so warm
warum ist denn dein arsch so schön
man sieht mich ständig konzentriert
knapp hinter deinem arsche gehen
Gerhard Rühm
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Epitaph als Epilog
Hier ruhen siebenundzwanzig Jungfrauen aus Stralsund,
Denen ward durch einen Interpreten des Dichters
neueste Dichtung kund.
Die hat die empfindlichen Mädchenherzen so sehr begeistert,
Dass auch nicht eine mehr ihr Gefühl gemeistert.
Man hängte sich teils auf, teils ging man in die See.
Nur eine ging zum Dichter selbst.(Und zwar aufs Kanapee)
Klabund
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Die Glucke
In die Erde eingekauert
sitzt ein Huhn und legt ein Ei.
Kurz bevor es leis erschauert,
ist das Gröbste schon vorbei.
Die Glucke gluckt mit viel Gegacker
im Nest der Kücken. Und der Hahn
stolziert im Hof und macht den Macker.
„Der Habicht kommt“, lautet sei Wahn.
Leicht nervös im Laube scharrend,
sucht die blinde Henne Korn.
Vor der Leiter kühl verharrend
nagt der Hahn an seinem Sporn.
Unterm warmen Leibgefieder
fühln sich Gluckes Kücken wohl.
Indes der Hahn fühlt hin und wieder
sich im Innern eher hohl.
Manchmal fängt er an zu denken:
Wann war Huhn und wann war Ei?
Letztlich kann ihn das nicht kränken.
Er war sicherlich dabei.
Abend wird’s, der Hahn jagt Mücken,
und ihm schwillt vor Wut der Kamm.
Der frischgebacknen Glucke Kücken
machen nicht so viel Tamtam.
Auf der Stange wird’s gemächlich,
langsam kommt der Stall zur Ruh.
Der Habicht jagt viel weiter südlich.
Der Hahn macht seine Augen zu.
Frank Schulz
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Erleuchtung
Michel! Fallen dir die Schuppen
Von den Augen? Merkst du itzt,
Dass man dir die besten Suppen
Vor dem Maule wegstibitzt?
Als Ersatz ward dir versprochen
Reinverklärte Himmelsfreud
Droben, wo die Engel kochen,
Ohne Fleisch der Seligkeit!
Michel! Wird dein Glaube schwächer
Oder stärker dein Apptit?
Du ergreifst den Lebensbecher
Und du singst ein Heldenlied.
Michel! Fürchte nichts und labe
Schon hernieden deinen Wanst,
Später liegen wir im Grabe,
Wo du still verdauen kannst.
Heinrich Heine
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Lebensregel
Üb immer Untertänigkeit
Bis in dein frühes Grab,
und weiche keinen Finger breit
Vom Magistrate ab.
Sag immer „Ja“ und dann nur „Nee“,
Bist du in Minderzahl,
Das schadet nichts und macht sogar
Ganz gut sich auch einmal.
Opposition ist pöbelhaft,
Nach eigner Meinung geht
Kein feiner Mann, im Gegenteil,
Das tut bloß ein Prolet.
Drum tue ruhig deine Pflicht,
Wie sichs für dich gehört,
Vielleicht wirst du Senator dann
Und stirbst einst hochgeehrt.
Und jeder, der dein Grabmal sieht,
Der zieht den Hut und spricht:
Er tat stets, was man ihm gesagt,
Und sträubte nie sich nicht.
Er ward dem Magistrate nicht
Zum Ärger und zur Last,
Mit einem Wort: er war ein Mann,
Wie er aufs Rathaus passt.
Hermann Löns
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Ästhetische Kategorie
Wenn Mona Lisa
Lieschen Müller hieße
und höchst lebendig,
froh und guter Dinge
mit sanftem Lächeln
durch die Straßen ginge -
was meint ihr wohl,
wie kühl sie manchen ließe!
Rudi Strahl
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Rose (rothe)
Ich liebe Dir! Ich liebe Dich!
Wies richtig is, ich weeß es nich,
Un `s is mich auch Pomade!
Wie, wenn ich lieb, es heißen muss,
Zu fragen erst den Heinsius,
Wär um die Liebe schade!
Ich liebe Dir, ich liebe Dich,
Wies richtig is, ich weeß es nich,
Doch klopft mein Herz so schnelle!
Ich lieb nicht auf den dritten Fall,
Ich lieb nicht auf den vierten Fall,
Ich lieb auf alle Fälle.
Adolf Gloßbrenner
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Viehaustrieb
Ich fuhr, und ohne Trauer,
Zu der hin, die ich lieb.
Da plötzlich: eine Mauer
Von Ärschen. Viehaustrieb.
Das Auto darf nicht rollen.
Sie drücken es entzwei.
Eine Herde Rindvieh
Lässt keinen vorbei.
Sie hören auf kein Zeichen,
Sie haben Dreck im Ohr,
Als wär man ihresgleichen
Und drängelte sich vor.
Der stinkenden Kuhmagd
Gilts auch einerlei.
Eine Herde Rindvieh
Lässt keinen vorbei.
Ich bin der besten einer
Der Köpfe unterm Mond.
Ich weiß, sonst weiß es keiner,
Wo Deutschlands Muse wohnt.
Wir lägen längst zu Bette
In holder Schwärmerei.
Ich will mich nicht wiederholen.
Die Fahrbahn ist nicht frei.
Peter Hacks
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Nostalgie auf Schienen
In gesellschaftlichem Kreise
wird das Wörtchen „Puff“ ganz leise
nur genannt, da jedermann
Liebeslust und Liebeslaster
gegen eine Menge Zaster
käuflich dort erwerben kann.
Wird das Wort jedoch verdoppelt
und ans Schienennetz gekoppelt,
dann erscheint mir viel Elan
unter Dampf die hochgelobte
altbewährte, krafterprobte,
treue Puff-Puff-Eisenbahn.
Mit ein wenig Sprachverständnis
reift so langsam die Erkenntnis:
Zweimal Puff erfreut unbändig,
einmal Puff ist unanständig.
Günter Nehm
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Der freiwillige Liebhaber an einen Bräutigam
Ich bin kein Freund der Zärtlichkeit;
Das sag ich ohne Scheu.
Ich liebe nach Gelegenheit,
Und schwöre keine Treu.
Und sag es ein vor allemal,
Dass der kein Weiser ist,
Der wählt, und immer nach der Wahl
Dieselben Lippen küsst.
Denn ach! Wie bald kann es geschehn,
Dass Doris`Reiz verdirbt?
So bald, wie wir die Rose sehn,
Die welkt, sich neigt und stirbt.
Bleib, bleib, du künftiger Ehemann,
Bei deiner Doris Kuss!
Ich liebe, wenn ich lieben kann,
Und hasse, wenn ich muss.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
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Wieso warum?
Warum sind tausend Kilo eine Tonne?
Warum ist dreimal Drei nicht sieben?
Warum dreht sich die Erde um die Sonne?
Warum heißt Erna Erna statt Yvonne?
Und warum hat das Luder nicht geschrieben?
Warum ist Professoren alles klar?
Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten?
Warum erfährt man nie, wie alles war?
Warum bleibt Gott grundsätzlich unsichtbar?
Und warum reißen alte Herren Zoten?
Warum darf man sein Geld nicht selber machen?
Warum bringt man sich nicht zuweilen um?
Warum trägt man im Winter Wintersachen?
Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen?
Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: Warum?
Erich Kästner
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