Intimer Kummer
Kennst du die Traurigkeit eines Wasserhahns
Der allein zur Nacht in einer Küche weint
Kennst du das Grausen eines schlecht geschlossenen Ladens
Im Winde schlagend wie der Flügel des Verbrechens
Kennst du die Angst des kleinen Regens
Der hilflos tropft
Auf Dächer auf Brunnen
Und den die Erde ihrer Qual vermischt
Yvan Goll
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Do it yourself
Ich hau mir auf den Daumen,
mit einem Eisenhammer,
do daß nach kurzem Staunen,
dem Schmerz folgt prompt der Jammer.
Es blutet viel, es blutet weit,
Heimwerken ist ein Laster.
Man werkelt, auch wenn's zum Himmel schreit.
Hätte Sie e Plaschter?
Gerd Dudenhöffer
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Schöpfer
Zwei Menschen sind im Erdenrund
als Schöpfer sehr aktiv -
den einen nennt man Büttner und
den andern Detektiv.
Ich weiß, das glaubt nicht jeder hier,
drum sag ich`s mit Bedacht:
Der Büttner schöpft zumeist Papier,
der Detektiv Verdacht.
Hansgeorg Stengel
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Das Modell
Ein Modell, das gazellengleich
die Tücher seines Schöpfers zeigt,
und jeder sofort neidvoll bleich
den Blick zur Seite neigt,
wird Jubel ernten, füllhornvoll,
Applaus, der tosend schallt.
Denn alle finden sowas toll,
wenn's ausrutscht, stolpert und dann fallt.
Gerd Dudenhöffer
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Rufe
Ich höre dich sagen
komm wir gehen und
lass uns nicht länger warten
Ich höre dich noch immer
dasselbe sagen am selben Ort
Bitte verlassen Sie diesen Zustand
Du ziehst mich aus
und weinst als ob
ich eine Zwiebel wäre
Haut für Haut und immer
etwas darunter notüberwunden
Bitte belecken Sie diese Schmerzen
Ich gerate nicht auf Abwege
doch komme ich ins Atemlos
heim dich Begleiten
Wendeltreppengespräche bringen
mich nicht aus deiner Hütte
Bitte die Luft nicht kurz zu binden
Ich sehe die Ohrfeigen
sie fliegen auf dich zu
auf diesem Umweg mich zu treffen
ich habe meine Wange
in deine liebkosende Hand
Bitte verstehen Sie deutlicher
Zehra Cirak
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Die Flaschenpost
Ein Seemann mit den Wellen ringt,
Der Mast, die letzte Planke sinkt,
Er schwimmt allein im weiten Meer,
nur salzges Wasser ringsumher.
Die Sonne brennt vom Firmament,
der Seemann glaubt, es geht zu End.
Hallo, was schwimmt da aus Südost?
Wahrhaftig, eine Flaschenpost.
Der Seemann traut den Augen kaum.
Er lechzr vor Durst im Fiebertraum
nach einem kühlen Labetrunk.
Die Flasche gibt dem Seemann Schwung,
Er rafft sich auf mit letzter Kraft
und schwimmt und schwimmt -und hats geschafft.
Er hält die Flasche in der Hand,
die ihm das Schicksal hat gesandt.
Der Seemann liest begierig, als
er nun entkorkt den Flaschenhals:
„Dem Finder auf dem weiten Meer
ein Gutschein für zehn Pilse-ner.“
Der Seemann brüllt: „Gemeiner Hund.“
Sinkt durstig auf den Meeresgrund.
Wie roh das Schicksal manchmal ist.
So wird der Mensch zum Pessimist.
Fritz Endrikat
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Avant-Propos
Ich kann mein Buch doch nennen, wie ich will
Und orthographisch nach Belieben schreiben!
Wer mich nicht lesen mag, der laß es bleiben.
Ich darf den Sau, das Klops, das Krokodil
Und jeden andern Gegenstand bedichten,
Darf ich doch ungestört daheim
Auch mein Bedürfnis, wie mir´s passt, verrichten.
Was könnte mich zu Geist und reinem Reim,
Was zu Geschmack und zu Humor verpflichten?
Bescheidenheit? -capitatio – oho!
Und wer mich hasst, - sie mögen mich nur hassen!
Ich darf mich gründlich an den Hintern fassen
Sowie an den Avant-propos.
Joachim Ringelnatz
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Krokodilromanze
Ich bin ein altes Krokodil
Und sah schon die Osirisfeier,
Bei Tage sonn´ich mich im Nil.
Bei Nacht am Strande leg ich Eier.
Ich weiß mit listgem Wehgeschreih
Mir stets die Mahlzeit zu erwürken;
Gewöhnlich fress ich Mohrenfleisch
Und sonntags manchmal einen Türken.
Und wenn im gelben Mondlicht rings
Der Strand liegt und die Felsenbrüche,
Tanz ich vor einer alten Sphinx,
Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche.
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
Tiefsinnig spricht sie: Tochter Thebens,
Friss nur, was du verdauen kannst!
Das ist das Rätsel deines Lebens.
Emanuel Geibel
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Liebessonett – besonders gut gereimt
Wie lange habe ich schon versucht,
Riekens Herz zu rühren.
Jetzt hat sie endlich ja gesagt,
bald wird sie mir gehören.
Vor kurzer Zeit noch glaubte ich,
ich hätte sie verloren.
Seit ich sie kenne, habe ich sie,
nur sie allein begohren.
Ja, Rieke, du bist eine Wucht,
ich schweige im Genusse,
und niemals kriegte ich genugt,
denk ich an deine Kusse.
Ja, ich trank schon manchen Liter
vom Gerstensafte und mit Lust,
doch deine Küsse schmeckten güter,
die du mir gegeben hust.
Was das rote Tuch dem Bullen
ist für mich deine Figur,
tätst du meinen Wunsch erfullen,
Rieke, dann wär alles klur.
Wie hast du dich heut aufgeputzt,
mein liebes Kind gestatte,
nen Hut hats du dir aufgesutzt,
siehst aus wie eine Natte.
Doch, Riekelein, ich bleib dir treu,
bis dass der Tod uns scheide.
Ich liebe dich mit Poeseu
und himmelhoher Freide.
Und stehen wir dann am Traualtar
im feierlichem Schmucke,
dann brauch ich weiter gar nichts mahr
als dich mein Traum zum Glucke.
Rolf Nünninghoff
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Was über mich erzählt wird
In meinem Schloss brennen
fünfundzwanzig Kronleuchter
Und drei Goldfische habe ich
in meinem Aquarium schwimmen
Und ich bekomme viertausend
Mark für einen Vers
Und arbeite an sechs Zeilen ein Jahr
Und jeden Morgen kann ich
mir nach dem ersten Ei auch noch
ein zweites leisten ganz wie ich will
ein Ei oder zwei
Elke Erb
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Die Dame ohne Unterleib
Am Jahrmarkt war einmal ein Weib
zu sehen ohne Unterleib.
Und alle Leute blieben stehen,
nicht um die Dame anzusehen.
Sie schauten hin, sie schauten her,
wo denn der Unterleib wohl wär,
der erst den Menschen macht zum Weibe
zur Dame mit dem Unterleibe.
Und wen des Rätsels Lösung plagte,
sich nachts in ihren Wagen wagte.
Das Geld verdiente nämlich sie
tags mit der oberen Partie.
Doch nachts, wie es sich denken lässt,
verdient sie es mit dem Rest.
Rolf Nünninghoff
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Rechenaufgabe für die Unterstufe
Im Museum
sitzt Kolumbus
und köpft stündlich sein Ei.
Berechne,
wie viel Geistesblitze
Kolumbus der Menschheit schenkte
seit 1493
und wie viel davon fallen
auf unschuldig pro Kopf.
Friedrich-Christian Delius
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Gekränkte Leberwürste
Ich glaube, von ihnen könnte wohl jeder erzählen,
wie sie ihre Mitwürste stillschweigend quälen.
Geht diesen Leberwürsten nicht alles nach Wunsch,
dann sind sie gekränkt und ziehn einen Flunsch.
Gekränkte Leberwürste sind von der Sippe
mit der ewig schmollenden Unterlippe.
Soe lieben den indirekten, passiven Zank,
wenn sie nicht gekränkt sein können, dann sind sie krank.
Solche Leberwürste sind nur mit Vorsicht zu genießen,
es wäre das beste, wenn wir sie ganz links liegen ließen.
Sie warten förmlich darauf, dass irgend etwas nicht klappt,
dann sind sie gründlich und ausgiebig eingeschnappt.
Nur mit Glacehandschuhen sind sie anzufassen.
Sie liegen uns im Magen viel schwerer als Blei.
Leider sind gekränkte Leberwürste markenfrei.
Fritz Endrikat
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Frucht-Zucht-Frucht
Bananen - Melonen - Ananas
Alle Früchte haben etwas
Frei gesagt: Unanständiges,
Etwas Nuditätes an sich.
Darüber freue ich mich.
Denn das ist etwas Unbändiges.
Instinktiv oder auch bewusst
Haben wir alle daran unsre Lust.
Aber die darüber erschreckt sind,
Sich entrüsten und jemand verklagen,
Denen wollen wir andere sagen,
Dass wir schon lang nicht mehr a. A. geleckt sind.
Und das muss — wenn auch nur theoretisch —
Immer mal wieder auf Erden geschehn.
Sonst werden wir Mehlbrei und hyperästhetisch
Und werden rot wenn wir Pfirsiche sehn.
Joachim Ringelnatz
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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ottos mops
ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso
otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft
ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott
Ernst Jandl
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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