26. Februar 1824
Goethe sagt zu Ackermann,
Dass das Werk des Malers Roos
Ungemein zu schätzen sei.
Dieser nämlich male bloß
Schafe. Kühe noch und Ziegen
Würden ihm besonders liegen.
Und er sei darin so gut,
Weil er ihre Psyche kenne.
Weil er, wenn es blökt und muht,
Ein Talent sein eigen nenne.
Malte er hingegen Katzen,
Würde er gewaltig patzen.
Marco Tschirpke
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Frei wie ein Vogel durch die Welt
Im Nirgends leben. Sei´s zu Fuß,
sei´s mit dem Zug
von Ort zu Ort.
Ich kenne keine Verbot, kein Muss,
und ist´s genug,
dann geh ich fort -
in mir genehmen Wegesstücken,
die kleine Habe auf dem Rücken,
lass ich mich, wie vom Winde, treiben
mal zum Vondannenziehn,
mal zum Auf-Zeit-Verbleiben -
Befreit von Plänen, Fragen, Sinn,
flieg ich als Vogel durch die Welt.
Und wenn ich auch besitzlos bin
und ohne Frau, Kind, Liebe, Geld,
Haus, Heizung, Nahrung, Bad, WC,
Bett, Kissen:
so geht’s mir doch seit eh und je
beschissen.
Thomas Gsella
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Lauter Fragen und keine Antwort!
Weißt du, wie viel Sternlein stehen
An dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Hähne krähen
Jeden Morgen in der Welt? -
Weißt du, wie viel alte Schrauben
Ihre Kaffeekränzchen pflegen,
Weißt du, wie viel Narren glauben
An den Steuersenkungssegen?
Weißt du, wie viel Panzer bleiben
Nach der großen Abrüstung?
Wie viel Ignoranten schreiben
Über Weltfinanz und Young?
Weißt du, wie viel Studiosen
Durch die Staatsexamen krachen
Und trotzdem mit stolzen Posen
Glänzend Karriere machen?
Weißt du, wie viel Autos purzeln
Und im Graben untertauchen?
Weißt du, über wie viel Wurzeln
Wandrer ihr Gebein verstauchen?
Weißt du, wie viel eitle Damen
Sich am Lippenstift ergötzen?
Wie viel überflüss´ge Dramen
Langeweile uns versetzen?
Nein, von solchen Zahlenmassen
Kannst du unbedingt nichts wissen,
Und du wirst, um sie zu fassen,
Noch gehörig rechnen müssen;
Weiter werden wir uns plagen
Wie viel Zweifel voller Mystik,
Über alle diese Fragen
Schweigt sich aus Madam Statistik.
Alexander Moszkowski
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Letzte Dinge
Glaube nicht, weil sich das Weite
Offenbarte dem Verstand,
Dass der Forschungsgeist des Menschen
Auch das Nahe überwand.
Traue nicht der Metaphysik,
Die dir letzte Dinge klärt,
Und vor ganz banalen Fragen
Sich gar mangelhaft bewährt.
Lenke vor dem Morgengrauen
Aufwärts, seitwärts dein Gesicht:
Bis zum Sirius kannst du schauen,
Doch bis Potsdam siehst du nicht.
Alexander Moszkowski
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Müdigkeit
Noch alle Jahre, wenn der Sommer naht,
Ist mir der eifervolle Sinn vergangen.
Die hohe Politik ist mir Salat
Und volle Wurschtigkeit hält mich umfangen.
Was regt´s euch auf, wenn ein Minister geht?
Von mir aus kann der Herr noch länger bleiben.
Ich lese nicht, was in der Zeitung steht,
Ich trinke Bier und schneide Rettigscheiben.
Erzählt mir einer: Gestern im Gefecht
Sind die Chinesen fürchterlich geschlagen,
Ich sage: So? Das ist ja nett und recht,
Da hat sich wieder mal was zugetragen.
Es ist ganz gut, trägt sich mal etwas zu,
Es gibt so Leute, die sich intressieren,
Nur mich, mein Lieber, lassen Sie in Ruh,
Mir kann die Schießerei nicht imponieren.
Im Sommer bin ich durchaus Philosoph,
Der sich beschäftigt mit den kleinsten Dingen;
Zum Beispiel denk ich nach, warum der Schwoof
Von einer Kuh beständig ist beim Schwingen.
Ich will erkennen, was das gute Tier
Bestimmt und antreibt, diesen zu bewegen;
Ich trink dabei so fünf, sechs Halbe Bier,
Um, wenn ich voll bin, mich ins Bett zu legen.
Ludwig Thoma
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Das Gebet
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
Christian Morgenstern
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Abrüstung
Das Essen wurde zuletzt so miserabel,
Dass mir die Eingeweide davonkrochen.
Die Luft roch wie der Atem eines Schellfisches.
Meine verpesteten Lungen drehten sich um ihre Stiele.
Unterdessen trieb die sogenannte Umgebung
Mit doppelten Eifer ihren Mumpitz weiter.
Da erhob ich mich lärmend von meinem Platz.
Dass mein halbes Gesäß dran kleben blieb, was tuts?
Einer von den Herren kam mir nachgestürzt
Mit vorwurfsvollen Augen: Es handle sich doch um das Dasein,
Und die Damen warteten doch und ob ich nicht bleiben wolle?
Ich schüttelte so heftig mit dem Kopfe, dass er abfiel.
Wilhelm Klemm
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Klasse! Der letzte Satz hats mir besonders angetan.
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Frecher Bengel
Ich bin ein kleiner Junge,
Ich bin ein großer Lump.
Ich habe eine Zunge
Und keinen Strump.
Ihr braucht mir keinen schenken,
dann reiss ich mir kein Loch.
Ihr könnt euch ruhig denken:
Jottedoch!
Ich denk von euch dasselbe,
Ich kuck euch durch den Lack.
Ich spuck euch aufs Gewölbe.
Pack!
Richard Dehmel
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Das Fest des Wüstlings
Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüsterpracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Was huscht und hascht und weint und lacht?
Was cymbelt gell? Was flüstert sacht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Die Pracht der Nacht ist ach entfacht!
Die Tugend stirbt, das Laster lacht!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Ludwig Thoma
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An Olja!
Dieser jungen Dame soll ja
Wohl der Scheenheitspreis jebihren,
Alle wollen se de Olja
Auf dem Standesamte fiehren.
Un det Portmonnee janz voll ja
Hat se noch von Pinke-Pinke, -
Sie jestatten, scheene Olja,
Det ick uff ihr Wohl mal trinke.
Helfen wird mir der Apoll ja
Zu nem Trinkspruch uff de Olja.
Und et wäre mehr als doll ja
Wenn ick heut nich säng uff Olja.
Unbekannterweise schwoll ja
Schon mein Herz vor dieser Olja.
Und deshalb bring ick den Zoll ja
Der Bewunderung der Olja.
Von Karline wundervoll ja
Ließ ick scheiden mir vor Olja.
Und ick jäb zu Protokoll ja,
Det ick se jleich nehm, de Olja.
Mögen möcht ick schon, jawoll ja!
Bloß se denkt nich dran, de Olja.
Alexander Moszkowski
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Da Fernseher laaft
Da Fernseher laaft,
wia alle Tag.
Er schlaft und sie schlaft,
wie alle Tag.
Um elfe wern´s wach,
wia alle Tag.
Und´s Denka geht zaach,
wia alle Tag.
Stoamüad falln´s ins Bett,
wia alle Tag.
Und sagn: „San mia bläd“,
wia alle Tag.
Die Zeit is vergebn,
wia alle Tag.
Is denn dös´s Lebn?
Dös is de Frag.
Josef Steidle
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Herr Meier hält sich für das Maß der Welt
Herr Meier hält sich für das Maß der Welt.
Verständlich ist allein, was ihm erhellt.
Herr Meier sagt, wozu denn eure Kunst,
wenn nicht für mich! Sonst ist es eitel Dunst.
Noch mehr, bei weitem mehr: Herr Meier meint,
dass sich die Kunst im Grunde sträflich scheint.
Man muss sich eiligst von Herr Meier wenden,
um nicht mit Mord und Raserei zu enden.
Ludwig Thoma
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Die Postkarriere
Er sitzt in jungem Alter
der Posteleve Walter
an einem dunklen Schalter
mit seinem Federhalter.
Der Assistent Herr Walter
sitzt in schon mittlerm Alter
mit seinem Federhalter
an einem dunklen Schalter,
Mit seinem Federhalter
sitzt noch in hohem Alter
an seinem dunklen Schalter
Herr Sekretarius Walter.
Unbekannter Verfasser
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Das Quadrat
Lasst uns das Quadrat betrachten,
denn das ist dem Geist gesund.
Höher müssen wir es achten
als den Kreis, der gar zu rund.
Niemand kann es ihm bestreiten,
dass es an der Jugend reich.
Denn es hat vier gute Seiten,
und sie sind einander gleich.
Ohne jeden falschen Dünkel
steht es da auf dem Papier.
Denn es hat nur rechte Winkel
und besitzt derselben vier.
Manchen Vorzug hats unstreitig,
den beim Dreieck man vermisst,
und erfreut sich anderseitig,
weil es so symmetrisch ist.
Ja, zur Last der Weltbewohner
ists geschaffen in der Tat.
Reinlicher und zweifelsohner
ist wohl nichts als das Quadrat.
Johannes Trojan
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