Lügenverse
Es schifft ein Schiffmann auf trucknen Land
er hat sein Segel gegen Wind gespannt
mit seinen hellen Augen
er rudert an einem sehr hohen Berg
daran musst er ersaufen.
Zu Regensburg haben sie einen Hahn
der hat so schröcklich viel Schaden getan
er zutrat eine steinerne Brücke
es flog eine Mücke einen Turm entzwei
war das nicht Ungelücke.
Ein Amboss und ein Mühlenstein
die schwummen zu Köln wohl über den Rhein
sie schwummen also leise
ein Frosch verschlag ein glühend Flugschar
zu Pfingsten auf dem Eise.
Ein alt Weib auf dem Rücken lag
das Maul sie sieben Ellen weit offen hat
es ist wahr und nicht erlogen
es hat ein Storch siebenhundert Jahr
sein Jungen drin aufgezogen.
Aus: Bergliederbüchlein
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ROBERT GERNHARDT
Samstagabendfieber
Wenn mit großen Feuerwerken
Bürger froh das Dunkel feiern,
sich mit Bier und Fleischwurst stärken
und in die Rabatten reihern,
Wenn sie in den Handschuhfächern
kundig nach Kondomen tasten,
und die breiten Autos blechern
strahlend ineinanderhasten,
Wenn in Häusern bunte Schatten
herrlich aufeinander schießen,
sich verprügeln, sich begatten,
bis die letzten Kinos schließen,
Wenn dann in zu lauten Räumen
viele Menschen sich bewegen
und beim Lärmen davon träumen,
stumm einander flachzulegen,
Wenn am Ende Franz und Frieda
glücklich in der Falle liegen -:
Wer gedenkt dann jener, die da
noch eins in die Fresse kriegen?
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Wolfgang Reinisch
Der Durchfall
Herr Generaldirektor Meier
leidet nun schon seit drei Tagen,
unter grauenvollem Durchfall
welcher nicht mehr zu ertragen!
Und so sucht er denn letztendlich,
und zwar im weiteren Verlauf,
zur Behebung dieser Störung
schließlich seinen Hausarzt auf.
Und dieser untersucht Herrn Meier,
ganz privat für sehr viel Geld,
und fragt zur Abrundung der Sache
wann er den Durchfall festgestellt?
Und da meinte denn Herr Meier,
dass ihm die Sache klar, vollkommen,
als er nach einer Fahrradtour
die Fahrradklammern abgenommen!
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Robert Gernhardt
Die Welt und ich
Hab der Welt ein Buch geschrieben
ist im Laden gestanden
waren da viele, die es fanden
hats aber keiner kaufen wollen
Hab der Welt ein Bild gemalt
ist in einer Galerie gehangen
sind viele Leute daran vorbeigegangen
haben es nicht einmal angeschaut
Hab ein Lied erdacht für mich
habs nur so vor mich hingesummt
sind alle ringsum verstummt
haben geschrien: Aufhören!
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Ja ----- aber du hast es GEMACHT, Robert R. I. F.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Doch da ist noch ein Falter
Ein Couplet
Und da wirste geborn
und da fühlste dich klein
und da ließest du alles am liebsten gleich sein
und sagtest »Tschüss Alte, tschüss Alter« -
doch dann sind da die Falter.
Und denen krabbelste nach,
denn die sind so schön bunt,
und...
Und nu biste schon größer
und nu liebste schon wen
und die, die du liebst, will nich mit dir gehn
und du sagst dir: »Mach Schluß jetzt, Mensch Walter!«
doch dann ist da der Falter.
Und dem rennste nach,
denn der ist so schön bunt,
und...
Und denn biste ein Mann
und denn läuft es nicht so
und denn biste oft traurig und nur sehr selten froh
und denn blätterste schon mal im Psalter -
doch da ist noch ein Falter.
Und dem gehste nach,
denn der ist so schön bunt,
und ...
Und dann wird dein Haar grau
und dann fühlste dich alt
und dann siehste sie plötzlich, diese Gestalt
und du fragst dich: »Wo kommt die Gestalt her?
Mensch, die ist doch kein Falter!«
Und dann folgst du ihr doch
mit verstummendem Mund
und...
Robert Gernhardt
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CHRISTINE NÖSTLINGER
Westwind
War einmal einer,
den liebte keiner.
Schrieb er auf ein Blatt Papier:
»Bin einsam! Wer ist nett zu mir?«
Faltete einen Flieger daraus,
warf ihn zum Fenster hinaus.
Westwind trug ihn zum Wald,
fand ihn ein Häschen bald.
Wär zur Liebe bereit gewesen,
konnt aber leider nicht lesen.
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Wolfgang Weyrauch
es schreit die Eins, es schweigt das A,
der Seehund west in Afrika,
aber wir, wir sind zusammen,
da weint das Schlangenknäuel, dort,
der jüngste Grashalm ist verdorrt,
aber wir, wir sind zusammen,
der Weise speit auf die Vernunft,
es jauchzt die letzte Niederkunft,
aber wir, wir sind zusammen,
der Freund wird, wie Hyänen sind,
der Mond verweht im Feuerwind,
aber wir, wir sind zusammen,
der letzte Fuß, die letzte Hand,
versinken in den Feuersand,
aber wir, wir sind zusammen,
der Stein ist Wasser, Wasser Stein,
und keiner ist mit nichts alllein,
und wir zusammen,
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Hasen-Ode
hasen in hosen
lasen in losen
assen aus dosen
sassen in sossen
grasen im grossen
rasen in rosen
blasen mit blossen
nasen in moosen
aasen in posen
gasen und tosen
vergassen zu kosen
die hasen in hosen
Gerhard Rühm
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mein steckenpferd
brüste sind mein steckenpferd
brüste rosig
brüste welk
brüste sind mein steckenpferd
brüste grade
und verkehrt
weiß der teufel was ich will
brüste hüpfend
brüste still
weiß der teufel was ich will
brüste sind mir
weg und ziel
brüste oben
brüste unten
brüste seitwärts
leer und voll
brust und brüste
busen busen
warum macht ihr
mich so toll
brüste sind mein steckenpferd
brüste rosig
brüste welk
brüste sind mein steckenpferd
brüste grade
und verkehrt
weiß der teufel was ich will
brüste hüpfend
brüste still
weiß der teufel was ich will
brüste sind mir
weg und ziel
Gerhard Rühm
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Die Bundeskanzlerin
Sie platzt vor Fleiß. Kaum graut der Tag,
Da stellt sie erste Weichen:
Sie nimmt den Armen den Belag
Vom Brot und schenkts den Reichen.
Am Mittag geht’s ins Kabinett.
Ergebnis der Debatten:
Sie kratzt den Hungrigen das Fett
Vom Brot und gibts den satten.
Am Abend dann das reine Glück:
Sie senkt Lohnnebenkosten.
Zehn Wessis kriegen Geld zurück
Von einer aus´m Osten.
Thomas Gsella
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Was ist das?
Blütengelb ist ihre Schale
Und sie selber lang und krumm
Herrlich weiß ihr weißes Fruchtfleisch
Das man gern in Honig grillt.
Süße schenkt sie unserm Müsli
Auf den Schalen rutscht man aus
Braun geht sie in Fäulnis über
Hoch der Baum, an dem sie wächst
Affen klettern in die Spitze
Pfeffern sie miit Wucht hinab
dass sie einen Spaltbreit breche
Schlürfen dann die Kokosmilch
(Lösung: Tomate)
Thomas Gsella
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Ein verschütteter Klassiker
Liebling der galanten Muse,
All-Verkünder fürs Abstruse,
Quell von Witz für große Kinder,
Kunst-Verkündiger nicht minder -
Wer zum Teufel ist der Mann,
Der all dies und andres kann,
Dessen Feder rastlos hüpfet,
Dessen Auge nichts entschlüpfet,
Der gestaltet meisterlich
Alle Dinge unterm Strich?
Herr Moszkowski ist der Meister,
Der da speiset alle Geister.
Muse, frohe Spenderin,
Sei nicht faul und küsse ihn.
Klaus Cäsar Zehrer
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Wie ich unter ablolut keinen keinen
Umständen abtreten möchte
Hungers sterben will ich nicht
Nicht von Hamburgs Deichtorhallen
Oder Kölner Domen fallen
Nicht mit einem Bleigewicht
An den Füßen untertauchen
Oder auf der Flucht vor langen
Wintern oder Klapperschlangen
Mir derart den Kopf verstauchen
Dass ich, strebend, auf dem Cover
Einer „Bild“ les: Nina Ruge:
Und mit letztem Atemzuge:
„Thomas Gsella ist mein Lover!“
Thomans Gsella
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Invasion der Körperfresser
Schau ich in den Spiegel rein,
schaut ein alter Mann heraus.
„Weg, weg, du alter Mann!
Weg zu deinesgleichen!“
Geh ich auf den Buchempfang,
stehn nur alte Männer rum.
„Oh, Entschuldigung, ich bin
hier wohl fehl am Platze!“
Dreh ich den Empänger auf,
reden mir Senioren zu:
„Mit der Kraft der zwei Herzen
bleibst auch du topfit!“
Lieg ich mit der Frau im Bett,
fühl ich mich recht jugendlich.
Sagt sie: „Schatz, das war ja fast
wie in alten Zeiten.“
Robert Gernhardt
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