Herr Koch greift sich an Herrn Leitgebs Herz
Herrn Koch wurde – bei einem Herzversagen -
Das Herz eines gewissen Herrn Leitgeb übertragen,
So griff Herr Koch, bei Kummer oder Schmerz,
Sich von jetzt ab an Herrn Leitgebs Herz,
Verliebte sich – es passierte ihm noch nie -
Sogar in eine leichtfertige Witwe vis—a-vis
(Das heißt, er verlor Leitgebs Herz an sie)
Und drückte sie, am Ende eines Konzerts,
Im Kurpark von Bad Nauheim an dessen Herz.
Doch jene hatte (aus dem Geschlechte derer
Von Six-Erkenich) schon einen Verehrer.
So bekam bald darauf – es war Ende März
In einem Städtchen unweit des Rheines -
Herr Koch hinterrücks ein Messer ins Herz,
Doch er lachte nur – es war nicht seines.
Otto Heinrich Kühner
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Die Krähe
Die Krähe lacht. Die Krähe weiß,
Was hinter Vogelscheuchen steckt
Und dass sie nicht wie Huhn mit Reis
Und Curry schmeckt.
Die Krähe schnupft. Die Krähe bleibt
Nicht gern in einer Nähe.
Dank ihrer Magensäure schreibt
Sie Runen. Jede Krähe.
Sie torkelt scheue Ironie,
Flieht souverän beschaulich.
Und wenn sie mich sieht, zwinkert sie
Mir zu, doch nie vertraulich.
Joachim Ringelnatz
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Zwei rechts, zwei links
Frau Niedlich strickt zwei rechts, zwei links,
dann lässt sie eine fallen,
sie strickt ein wunderschönes Dings,
ein Jackenkleid mit Schnallen.
Sie strickt tagsaus, sie strickt tagein,
sie strickt die halben Nächte,
bis Samstag muss es fertig sein,
weil sie es tragen möchte.
Am Freitagabend ists erreicht,
stolz zeigt sie´s Fräulein Schölbe,
die sinkt in Ohnmacht und erbleicht:
sie strickte sich dasselbe!
Elisabeth Finke
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Geiereier
Ob Gänse-, Bart-, ob Pleitegeier,
Sie alle sind mir nicht geheuer.
Ich äße gerne ihre Eier,
Jedoch sind Geiereier teuer.
Man stell sich vor, ein Geierstall
Mit hundertfünfzig Geiern.
Es wimmelte dann überall
Von sündhaft teuren Eiern.
Und liefen alle Geier frei,
So wärn die Eier unerschwinglich.
Drum schwüre ich aufs Hühnerei,
Ess Geiereier nur, wenns dringlich.
Ingo Baumgartner
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Rendez-vous
Ich bin verdammt zu warten
In einem Bürgergarten
Auf das geliebte Weib.
Nun sitz ich hier als Beute
Gewissenloser Leute
Mit breitem Unterleib.
Sie sind so froh beim Biere,
Bald zwei, bald drei, bald viere,
Und reden vom Geschäft.
Die Gattin spricht vom Hause;
Die Töchter trinken Brause,
und Flock, das Hündchen, kläfft.
Die Kellnerinnen schwirren,
Die Tischgeschirre klirren, -
Der Himmel scheint so blau.
Wie süß ists doch zu warten
In einem Bürgergarten
Auf die geliebte Frau.
Erich Mühsam
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im delikatessenladen
bitte geben sie mir eine maiwiesenkonserve
etwas höher gelegen aber nicht zu abschüssig
so, dass man darauf noch sitzen kann.
Nun, dann vielleicht eine schneehalde, tiefgekühlt
ohne wintersportler, eine fichte schön beschneit
kann dabei sein.
Auch nicht, bliebe noch – hasen sehen ich haben sie da hängen.
Zwei drei werden genügen, und natürlich einen jäger.
Wo hängen denn die jäger?
Ernst Jandl
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Sagen Schweigen Sagen
Wenn wir alles gesagt haben werden
wird immer noch etwas zu sagen sein
wenn noch etwas zu sagen ist
werden wir nicht aufhören dürfen
zu sagen was zu sagen ist
wenn wir anfangen werden zu schweigen
werden andre über uns sagen
was zu sagen ist
so wird nicht aufhören
das Sagen und Sagen über das Sagen
Ohne das Sagen gibt es nichts
wenn ich nicht das
was geschehen ist
sage erzähle oder beschreibe
ist das Geschehen
überhaupt nicht gesehen
das Sagen wird fortgesetzt
Stück für Stück
besser: Bruchstück für Bruchstück
Niemals wird es das Ganze sein
niemals also wird alles gesagt sein
Horst Bienik
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Das Gespenst
Gewöhnlich kommt es, wenn die Lichter brennen.
Es poltert mit den Tellern und den Tassen.
Auf roten Schuhen schlurft es in den nassen
Geschwenkten Nächten und man hört sein Flennen.
Von Zeit zu Zeit scheint es umherzurennen
Mit Trumpf, Atout und ausgespielten Assen.
Auf Seil und Räder scheint es aufzupassen
Und ist an seinen Lärmen zu erkennen.
Es ist beschäftigt in der Gängelschwemme
Und hochweis weht dann seine erzene Haube,
Auf seinen Fingern zittern Hahnenkämme,
Mit schrillen Glocken kugelt es im Staube.
Dann reißen plötzlich alle wehen Dämme
Und aus der Kuckucksuhr tritt eine Taube.
Hugo Ball
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Das Konzert
Die nackten Stühle horchen sonderbar
Beängstigend und still, als gäbe es Gefahr.
Nur manche sind mit einem Mensch bedeckt.
Ein grünes Fräulein sieht oft in ein Buch.
Und einer findet bald ein Taschentuch.
Und Stiefel sind ganz grässlich angedreckt.
Aus offnem Munde tönt ein alter Mann.
Ein Jüngling blickt ein junges Mädchen an.
Ein Knabe spielt an seinem Hosenknopf.
Auf einem Podium schaukelt sich bebend
Ein Leib bei einem ernsten Instrument.
Auf einem Kragen liegt ein blanker Kopf.
Kreischt. Und zerreißt.
Alfred Lichtenstein
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Der Rettich
Es ranken viele Mythen
Um diese Neopythen.
Der schönste ward gesehn
Im Stadtstaate Athen.
Wer Frauen wild beschlief,
Dem ward ein Rettisch tief
Catull hat es beschrieben,
In den Popo getrieben.
Was lernt man angesichts
Des Vorgangs? Leider nichts.
Marco Tschirpke
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Das Schweigen der Kissen
Zwei grüne Kissen auf der Bank,
die könnten so viel erzählen
von Liebe und Schwüren, von Streit und von Zank,
vom Küssen und vom Quälen.
Zwei grüne Kissen auf der Bank,
die schweigen, als gelt es ihr Leben.
Sie war´n einst so dick, und sie sind heute so schlank,
dem einen ist schlecht, und das andre ist krank,
gleich werden sie sich übergeben.
Robert Gernhardt
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WENN ICH WÜSSTE, DU GUCKST ZU
stundenlang im Schneestau steh'n,
wenn ich wüsste du guckst zu...
Ich würde Mosel und Sambesi stau'n,
Mike Tyson vor die Glocke hau'n,
ja ich wüsste was ich tu...
wenn ich wüsste, du guckst zu...
Ich würd den Turm von Pisa grade rücken
und unserm Papst ne Mütze stricken
wenn ich wüsste, du guckst zu...
Ich würd die Eiger Nordwand tapeziern,
gäb ein Konzert auf zwei Klavier'n
ja ich wüsste was ich tu...
wenn ich wüsste, du guckst zu...
Ich würd dir jede Zwiebel schäl'n,
an Allerseel'n laut krakeln,
wenn ich wüsste, du guckst zu...
ich würd dir Münzen mit dem Munde prägen,
auf allen Wegen vor dir fegen
ja ich wüsste was ich tu...
wenn ich wüsste, du guckst zu...
oh my darling, i love you...
doch du guckst ja nich...
du dumme kuh!!!
Writer(s): HANS-JUERGEN DOHRENKAMP, WENDELIN HAVERKAMP
(Von Jürgen von der Lippe vorgetragen)
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Speisekarte
Sagen Sie was
Sie wünschen?
Tranchierte Zitate in allgemeiner Soße
Gemischte Durchschnittsplatte mit Pose
Zugedrückte Augen mit Scheinchen
Fremdartiges zum Selberlynchen
Für unsere Kleinen:
Hemdsärmel auf frischen Bumskeulchen
Für Seniorenmäulchen:
Schweres süßes Anfangshack
(Blockhüttengeschmack)
Und zum Einpacken:
Gespaltene Zunge, Herzfett
Nachschlag im Nacken
Rückgrat, weichgekocht im Stützkorsett
Wir servieren im Vertrauen
Hinter vorgehaltener Hand noch
Bitte
versuchen Sie doch
unsere Kalkulationen zu durchschauen
Matthias Biskupek
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Ruhe
In müden Kreisen schwebt ein kranker Fisch
In einem Tümpel, der auf Gräsern liegt.
Beim Himmel lehnt ein Baum .. verbrannt und krumm.
Ja .. die Familie sitzt am großen Tisch,
Wo sie mit Gabeln aus den Tellern pickt.
Allmählich wird man schläfrig, schwer und stumm.
Die Sonne leckt mit heißem, giftigem Maul
Am Boden wie ein Hund – ein wüster Feind.
Landstreicher fallen plötzlich spurlos um.
Ein Kutscher sieht besorgt auf einen Gaul,
Der, aufgerissen, in der Gosse weint.
Drei Kinder stehen still herum.
Alfred Lichtenstein
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Der Wald schläft
Friedlich schläft der Winterwald.
Rauhreif glitzert auf den Fichten.
Märchen werden zur Gestalt,
und es leben Spukgeschichten.
Ruprecht steigt herab ins Tal.
Unter tiefverscheiten Tännchen
stapft der alte Rübezahl,
trippeln kleine Wichtelmännchen.
Brombeerstrauch und Seidelblast
schlummern an der Haselhecke.
Eichkatz träumt auf einem Ast
unter weißer Daunendecke.
Buchen ragen stark und alt
aus dem Schnee wie Patriarchen.
Friedlich schläft der Winterwald,
und man hört die Bäume schnarchen.
Fred Endrikat
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