Banalitäten aus dem Chinesischen
Fliegen haben kurze Beine.
Eile ist des Witzes Weile.
Rote Himbeeren sind rot.
Das Ende ist der Anfang jeden Endes.
Der Anfang ist das Ende jeden Anfangs.
Bürger haben kurze Fliegen.
Würze ist des Witzes Kürze.
Jede Frau hat eine Schürze.
Jeder Anfang hat sein Ende.
Die Welt ist voll von klugen Leuten.
Kluge ist dumm.
Nicht alles, was man Expressionismus nennt,
ist Ausdruckskunst-
Kluge ist immer noch dumm.
Dumme ist klug.
Kluge bleibt dumm.
Kurt Schwitters
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Im Winter
Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.
Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Diese Zugfahrt darf nicht enden!
Ach, jetzt ist sie eingeschlafen!
Kann den Blick nicht von ihr wenden.
Plötzlich fällt die ganze Lade
Ihres Kinns herab – wie schade.
Marco Tschirpke
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Liebeslyrik 2050
Ich währe nich gern deine Flanze
Unt wäre nich gärne dein Tir.
Uch lebte bei mir unt bei dir
Nur gerne alz Flo oder Wannze.
Nur sowas verköstigen wir.
Wir ließn die Wälder ferdorren,
Die Kattze ist plat wie 1 Butt.
Die Welt is ein hauven aus Schutt
Und ganz durhceinannder ferworren,
Auch Rehctschraibhilfe is putt.
Unt doch will ich ewich hir pleiben
Bei dier, wo di Lihbe begann.
Unt nur weil der Mänsch so wass kann,
So schöhne Gedihcte hinnshcreiben,
Bin ich vilvil liber dain – Man!
Thomas Gsella
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Der Spatz
Heinz Erhardt
Es flog ein Spatz spazieren
hinaus aus großer Stadt.
Er hatte all die Menschen
und ihr Getue satt.
Er spitzte keck den Schnabel
und pfiff sich was ins Ohr.
Er kam sich hier weit draußen
wie eine Lerche vor.
Er traf hier auch manch Rindvieh,
sah auch manch Haufen Mist . . .
Er sah, dass es woanders
auch nicht viel anders ist.
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F. W. BERNSTEIN
Kleine Schmerzen
Ach könnt ich's doch noch soweit bringen
schön von meiner Erkältung zu singen;
Vom Fieber, vom Durchfall, vom Taschenabszess,
und so weiter Folgendes:
Es sind nämlich solche kleineren Leiden
die wo unsere großen Dichter meiden.
Große Krankheiten - die kommen gut!
Schusswunden, Blut und Fieberglut!
Wie würdig der Herzschmerz, die Melancholie,
Schwundsucht ist klassisch. Doch Wasser im Knie,
Fusspilz, Furunkel, Hexenschuss, Gicht,
Zahnweh, Ekzeme - die alle nicht.
Das schwierigste - ich sag es gleich
ist Juckreiz im Intimbereich.
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Nee, das geht nicht
Das Meer – wenn ich schon drüber spreche –
hat eine feuchte Oberfläche,
die, finden keine Stürme statt,
stets ruhig daliegt, groß und glatt.
Soweit wär alles schön und gut.
Doch was sich unter Wasser tut,
das zu erzähln sträubt sich die Feder:
Es frisst den andern auf ein jeder!
Je größer so ein Fisch, je kesser!
Dort toben Kämpfe bis aufs Messer!
(Was ganz der Wahrheit nicht entspricht,
denn Fisch mit Messer geht ja nicht!)
Heinz Erhardt
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Ein neuer Anfang
Du lächelst fein. Dein Mund so zart
und Licht auf deinen Lippen,
kein Krähennest, kein Damenbart
und Haut ganz ohne Stippen.
„Ein neuer Anfang“, oh, wie wahr!
Du scheinst das Glück zu saugen.
Wo einst nur Magenfalte war,
nur Gloss und Glanz und Augen.
Oh, Angela, du bist on top!
Nicht Printe, sondern Print.
Du Wunder aus dem Fotoshop.
Du hängst bei mir im Spind.
Fritz Eckenga
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Beim Arzt
Wenn die süßen Sahnen wehen,
wenn die Hefen zweimal gehen,
wenn die Apfelkuchenfahnen
flattern in den Riechorganen,
wenn die Messgeräte messen,
weil die Zuckerspiegel stressen,
wenn Vanillewolken ziehn,
ziehe ich das Insulin.
Subkutan, Herr Doktor, geht es,
mit dem doofen Diabetes.
Fritz Eckenga
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DANIEL FALB
Das ist nicht die Wahre Tastatur dieses Notebooks
Das ist nicht die Wahre Tastatur dieses Notebooks,
in die ich ja gar nichts eingegeben habe,
und das ist nicht der Ton aus dem Speaker,
sondern bloß ein Geräusch, das
an seinem Gehäuse reflektiert. Die auf den schwarzen Bildschirm
geworfene Powerpoint-Präsentation
des Texts
Was man die Interiorität des Rechners nennen
könnte, enthält ein dunkles leben
Ein Daumen spielt mit dem Inputkabel; ——
am durchgetrennten Outputkabel erhält man die Modulation eines elektrischen signals, auf das hin
ein luftabwehrgeschütz wahllos das Feuer
eröffnet
Wieder und wiederblickt man auf die Interiorität des Abakus,
wo am Ende der Rechnung rechts auf dem untersten Draht
drei Perlen
stehen, und auf dem zweituntersten Draht
eine Perle.
4?
Das kontinentale Leben ist ein Mittel,
die Lichtmodulation im abgerissenen Glasfaserkabel zu erzeugen,
die,
wie das Bild der Erde selbst,
reines Sonnenlicht ist, das in das Inn’re eines Zimmers fällt
Ich
hatte oben von Columbus-III und den flachen Gewässern im Lebensraum
der atlantischen Perlmuschel gelesen,
Wo ein Schiff mit dem Anker das Kabel durchtrennte, auf dem ich sitze
mit meinem Stift
und von dim ich Ihniin jiiitzt schriibiiii
miiiiin
liibiiiiiiii
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Ein Hauch von Wahnsinn
Ein Hauch von Wahnsinn schwebt im Raum,
Leise wimmert der Prolet.
Dem Kardinal erscheint im Traum
Ein Muezzin beim Nachtgebet.
Edel, wie von Mund geblasen,
Funkeln Sterne sondern Zahl.
Minister putzen ihre Nasen,
Durchs Nadelöhr zwingt sich ein Aal.
Der Hirte sucht nach seinem Schaf,
Das sich im Nirgendwo versteckt.
Löwen finden keinen Schlaf,
Gertrude ist nicht unbefleckt.
Getreidespeicher klagen an,
Die Hinterwäldler haben Ruhr.
Ein Klinikwagen mit vier Mann
Holt mich ab, warum denn nur?
Vier Wochen Sanatorium
Orden das Gedankenschema,
Jetzt weiß ich, ach, wie war ich dumm,
Zum Dichten braucht man auch ein Thema.
Ingo Baumgartner
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Gürtel- oder Hosenträger
Das Gürteltier aus Mexiko
Verwendet keine Hosenträger.
Man glaubt es kaum, doch ist es so,
bestätigt auch im Zoo der Pfleger.
Der Anschein trügt, es wäre gar
Zu eitel für die Beinkleidhalter.
Die Bodenschnüffler, sonnenklar,
Sind Gürtelträger bis ins Alter.
Der Hauptgrund für den Nichtgebrauch
Von Trägern soll man nicht verschweigen.
Das Gürteltier, warum denn auch,
Wird niemals sich in Hosen zeigen.
Ingo Baumgartner
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O-Ton schonendes Gedicht
ODILE KENNEL
Ich will ja ich WILL wieder
in die allmähliche gemächliche
Wendung fallen der Wörter
ins Drehen faul Herumstehen
einfallen lassen über das flüchtige
Gesuchte fluchen flüstern
wie das knistert wie das flirrt
beim Silben zwirbeln will Silber
verticken Taktik die mir
liegt mir Taktfühlung gibt
genieße frühe Früchtchen
führ Süßkirschengeklimper
zur Lippe die Wimper bestimme
mit Stimmungsbüchern sieh wie
sie zwinkert blinzelt im Sinn-
gewitter trittsicher Zwirn entzweit
von Wolle: schon stolpert O-Ton
ohne Not in den Worthort, soit!:
WILL zottlige Wortzossen wildern
den U-Wert des Gedichts vertuscheln
um Kruscht buhlend fuchteln (so
könnte das lange weitergehen)
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Robert Gernhardt
Finger weg
Poeten, die nicht zeichnen können,
sollten´s besser lassen.
Das gilt für Günter Kunerten,
das gilt für günter Grassen.
Das gilt für all die Kritzelnden,
die zagen wie die forschen,
für Frederiken Mayröckern
als auch für Gerald Zschorschen.
Ein Maler, der nicht zeichnen kann
und ´s tut, der sei verworfen.
Das zielt auf Paule Wunderlich
und Jörge Immendorfen.
Auf Fettingen und Salomen,
auf sie und ihre Sachen.
Und eine, die ´s noch schlimmer treibt.
Sie heißt Elvira Bachen.
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Verkehrte Welt
Im Winter scheint Sonne,
im Sommer da schneit’s.
New York liegt in Deutschland,
Paris in der Schweiz.
Das Jahr hat acht Tage,
taghell ist die Nacht.
Die Sonne weint Tränen,
der Mond hat gelacht.
Der Fluss fließt zur Quelle,
die Welle steht still.
Ein Stein hat zwei Beine,
rennt, wohin er will.
Der Opa kriegt Haare,
das Baby verliert’se.
Der Bäcker backt Koteletts,
der Schlachter frisiert’se.
Das Faultier ist fleißig,
der Adler ist blind.
Der Blinde kann sehen,
ein Fisch fliegt im Wind.
Es regnet nach oben,
der Himmel stürzt ab.
Ein Vogel fährt Fahrrad
und lacht sich halb schlapp.
Die Welt ist ’ne Scheibe
und eckig der Ball.
Die Bombe singt Lieder,
wer singt, hat ’n Knall.
Achim Amme
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