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RE: Materialien zu einer Gedichtform japanischen Ursprunges

#1 von Karl Ludwig , 14.12.2016 07:20

Um Haikus zu schreiben, braucht es ein ausgeglichenes Wesen und inneren Frieden.

"Der Frühling scheidet,
den Vögeln – selbst den Fischen
kommen die Tränen."

„Meister, warum sollten Vögel oder Fische weinen, nur weil der Sommer kommt? Müsste es nicht heißen:

"Der Herbst scheidet,
den Vögeln – selbst den Fischen
kommen die Tränen."

Schüler fängt sich einige Maulschellen ein: „Dummkopf! In deiner, mich und mein Können herabsetzenden Version, hat die erste Zeile eine Silbe zu wenig.“

„Aber Meister, Fische weinen nicht. Vögel, glaube ich, doch auch nicht.“

Patsch-Patsch! „Es geht hier nicht um logische Exaktheit, sondern um das Einfangen einer Stimmung, - um den Augenblick in 17 Silben. Ein Haiku ist nämlich vielschichtig, in jedem sollte etwas Universelles blitzen. Reduktion ist seine Natur. Beschränkung auf das Wesentliche. Bescheiden wie, na, wenn es ein Essen wäre, wie Reis mit Fischsoße. In meinem Gedicht verbindet sich der Abschiedsschmerz des Poeten mit der Trauer der Natur über das Ende der milden Jahreszeit und ist eine Allegorie auf die Vergänglichkeit des Seins. Ist das nun deutlich?“ Klatsch! Patsch-patsch.

„Aua. Meister, nicht mehr hauen. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und ein Gedicht über den Herbst geschrieben.“

„Lass hören.“

„Auf kahlem Astwerk
die Krähe sich niedersetzt
des Herbstes Abend.“

„Junge. Das ist kein ordentliches Japanisch. Das ist Gestammel! Grammatik ist nicht so dein Ding?“ Klatsch!

„Aua-aua-aua. Schlichtheit, Meister. Frugal nanntest du den Anspruch. Aus einer banalen herbstlichen Beobachtung steigt für den Leser die ganze Einsamkeit des menschlichen Daseins empor. Gelle?“

„Quatsch. Haikus sollen wie schwarze Tuschezeichnungen sein. Na gut, wir fangen noch mal an. Was hast du noch so geschafft?

„Flöhe und Läuse,
und bei meinem Kopfkissen
pisst auch noch ein Pferd.“

„Das ist nicht besonders beeindruckend. Zu viele Einzelheiten, die von jeglichem meditativen Aha Erlebnis ablenken. Das ist purer Mist! Du sollst dem Alltag seine goldenen Momente beschwören und in Verse schmieden die berühren. Verstanden? Berühren!“ (Patsch!)

„Autsch! Meister, ich habe da was. Etwas Brandneues. Einen gewagten Bruch mit der Tradition.

„Stille …
das Sirren der Zikaden
bohrt sich in den Fels.“

„Das ist keine Neuerung. Das ist Zen. Hausmüll! Wo ist der Rohrstock?“

„Meister, ich habe da noch ein wirklich tolles Ding gebatikt. Das muss ich unbedingt jetzt los werden:

"Der Meister ist alt
eigen und ohne Gnade
ich bring ihn jetzt um."

Meister röchelt verblüfft:

„Tod in der Schule
Träume streunen herum
auf verblühtem Moos.“

Schüler weint ...

Alle Gedichte mehr oder weniger von Matsuo Basho (17. Jahrhundert) bis auf 'Der Meister ist alt ...'.


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RE: Materialien zu einer Gedichtform japanischen Ursprunges

#2 von Sirius , 14.12.2016 20:26

Da hast du die Haikus gut in eine lustige Geschichte eingebunden.
Dies Haiku ist ja hübsch:

„Flöhe und Läuse,
und bei meinem Kopfkissen
pisst auch noch ein Pferd.“

Aber es reicht nicht aus, nur Japaner zu sein, da sind ja deine eigenen besser.

Apropos Klatsch, Klatsch. Dabei fiel mir das Diaät-Ohrfeigengedicht vom Gernhardt ein, das sowohl zu deiner amüsanten Geschichte als auch zu deinen Rezepten passt (nur nicht zu den Haikus!).
Kuckemal:


Diät-Lied (mit Ohrfeigenbegleitung)

Ich freu mich auf mein Frühstück
Da schneide ich zwei Hörnchen auf
(Klatsch Klatsch)

Da schneid ich etwas Graubrot auf
Und schmiere mir dick Butter drauf
Und Leberwurst und
(Klatsch Klatsch)

Und schmiere dünn Margarine drauf
Und etwas Kräuterpaste
Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)

Und keinen Gorgonzola
Sodann greif ich zum Pfirsich
Den schneide ich in Stücke
Und haue massig Sahne drauf
(Klatsch Klatsch)

Und mache einen Joghurt auf
Und tu ihn auf den Pfirsich
Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)

Und keinen Gorgonzola
Und zwanzig Löffel Müsli
(Klatsch Klatsch)

Und einen Löffel Müsli
Dann freu ich mich auf Mittag
Da brat ich einen Tofu auf
Und tue reichlich
(Klatsch Klatsch)
Sprossen drauf

Und jede Menge
(Klatsch Klatsch)

Kleie
Das ess ich, weil es sein muss
Und freue mich aufs Abendbrot
Da gibt’s ein Riesenschnitzel
(Klatsch Klatsch)

Da gibt’s ein kleines Schnitzel
(Klatsch Klatsch)

Da gibt es gar kein Schnitzel
Da mach ich einen Bratling warm
Und tu dick Majonäse drauf
(Klatsch Klatsch)

Und drei, vier Spiegeleier
(Klatsch Klatsch)

Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)

Und schütt es in den Lokus
Dann drücke ich die Spülung
Und freu mich auf den Nachtisch
Da trinke ich vom feinsten
(Klatsch Klatsch)

Und stillsten Wasser, das es gibt
Sodann wird ein Versuch geübt:
Wieviel vom schweren roten Wein
Geht in den Durchschnittsmann hinein?
(Klatsch Klatsch)

Wenn der dabei im Schmalztopf wühlt
(Klatsch Klatsch)

Sich grad wie Gott in Frankreich fühlt
(Klatsch Klatsch)

Fünf Eisbein mit zehn Bierchen kühlt
(Klatsch Klatsch)

Und die mit Schnäpsen runterspült
(Klatsch Klatsch)

und reichlich
(Klatsch Klatsch)

Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)

Das will ich ausprobieren
Und sollt ich dran krepieren
Dann hab ich meine letzte Nacht
Zumindest lustvoll
(Klatsch Klatsch)

Zumindest heiter
(Klatsch Klatsch)

Zumindest spannend
(Klatsch Klatsch)

Zumindest nahrhaft
zugebracht.

Robert Gernhardt


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RE: Materialien zu einer Gedichtform japanischen Ursprunges

#3 von Karl Ludwig , 15.12.2016 05:08

Das Gedicht kannte ich noch nicht.


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RE: Materialien zu einer Gedichtform japanischen Ursprunges

#4 von Letreo71 , 21.12.2016 22:59

Klatsch, klatsch in die Hände.

Leo


Schreiben macht schön.

 
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