Milena Michiko Flašar: Oben Erde, unten Himmel
Milena Michiko Flašar erzählt in ihrem Roman "Oben Erde, unten Himmel" vom Tod und unserem Umgang damit. Der Text lebt vom trockenen, leicht morbiden Humor der Autorin und ihrer klugen Lebensphilosophie.
Die 1980 in Österreich geborene Autorin Milena Michiko Flašar hat schon mehrere Romane geschrieben, in denen japanische Kultur eine große Rolle spielt. Etwa in dem mit etlichen Literaturpreisen ausgezeichneten Roman: "Herr Katō spielt Familie". Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. "Oben Erde, unten Himmel" spielt wieder in Japan - was nicht bedeutet, dass sich die Geschichten nicht auch in anderen großen Städten der Welt zutragen könnten.
Für eine junge Frau namens Suku verändert sich ihre ganze Weltwahrnehmung, als sie einen neuen Job antritt: Sie wird Leichenfundortreinigerin. Das klingt nicht besonders verlockend, sondern abschreckend, aber so, wie Milena Michiko Flašar davon erzählt, wird es zu Literatur - mit Witz, Würde, Anmut, nahezu verblüffender Leichtigkeit und tiefem Ernst. Wir haben es mit nichts Geringerem zu tun als einem literarischen Wunder! Suku verehrt ihren Chef Herrn Sakai, der ihr beibringt, wie man eine Wohnung reinigt, in der ein Mensch gestorben ist, den niemand vermisst hat:
Das Begrüßungsritual war in Herrn Sakais Augen ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. (…) Manchmal, wenn er es für angebracht hielt, klopfte er an die Tür. Manchmal nicht. Dann richtete er ein paar Sätze an den Menschen, der dahinter gelebt hatte. "Machen Sie sich keine Sorgen", war ein Standardsatz. "Sie müssen sich nicht schämen für die Unordnung, die Sie hinterlassen haben." Es waren banale Sätze, die weder besonders ausgefeilt, noch besonders würdevoll waren. Und besonders persönlich waren sie auch nicht. Eher ging es darum, dem Verstorbenen eine gewisse Teilhabe zu ermöglichen. Er sollte nicht überrumpelt werden.
Es geht also im Kern doch um die Würde eines Menschen. Wenn Menschen in ihren Wohnungen sterben und dort sehr lange nicht gefunden werden, heißt das in Japan Kodokushi. Aber es ist natürlich kein auf Japan beschränktes Phänomen. Milena Flašar erzählt vom Tod und unserem Umgang damit. Ihre Hauptfigur würde man, wenn man es ganz profan beschreiben sollte, vermutlich als eine Frau mit einer autistischen Störung beschreiben. Sie hat Schwierigkeiten in ihrem sozialen Leben. Nach einem erfolglosen Versuch, als Kellnerin zu jobben, tritt sie in die Firma von Herrn Sakai ein. Er ist streng zu seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, verlangt viel und lehrt sie, respektvoll mit dem Tod umzugehen und mit dem Ekel fertig zu werden.
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