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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#1 von Karl Ludwig , 09.02.2017 07:32

Mitnichten ist ein seltsames Wort, einen Text zu beginnen. Aber wenn es sich als Satzpartikel dem Schreiber dermaßen auf drängelt, sollte er es als Inspiration werten und benutzen. Also: Mitnichten befindet sich ein Schreiber neben der Wirklichkeit, jedenfalls nicht mehr als alle Anderen. Auch und besonders der Leser.

Das Erschaffen von glaubwürdigen Figuren ist anstrengend und – individuell, subjektiv gemessen, vielleicht sogar härter und mit mehr Rückschlägen und notwendiger Verbissenheit versehen, als der Aufbau einer gesunden Firma. Ich meine damit nicht nur die Protagonisten, sondern auch die zwangsläufige Selbstoffenbarung des Schreibers.

Ich war 45 Jahre alt, als ich die Figur Opa Pscht erschuf. Der war aus Gründen eines Liedes von den Beatles natürlich 64 Jahre alt. Ich gestaltete ihn als abgeklärten, humorvollen, lebensklugen Helden, der jung im Herzen geblieben war. Zusätzlich bekam er einen privaten Jungbrunnen gestellt und wurde mit einigen epi-semi-magischen Talenten versehen.

64 war ja so weit entfernt; ich ließ Opa agieren wie einen Mann, der ungefähr so alt war wie ich selber, ohne die, mir inzwischen geläufig-, entsprechenden Einschränkungen. Dieser Opa kokettierte nur mit seinem Alter, - ich wusste es halt nicht besser.

Heute bin ich älter als dieser Protagonist und weiß, dass diese Figur ungefähr so glaubwürdig ist wie ein Peter Pan; nur verkörpert er im Gegensatz zu diesem nicht die Jugend, sondern ein komisches Alter: Jede Menge voll unerotischer Ausstrahlung. Minderung der Perspektiven, nahen Tod, - zumindest keine großartige Zukunft mehr -, keine Siege, und, im Gegensatz zu gängigen Meinungen, keine Weisheit, sondern (trallala): Älter, kälter und entstellter, zerknitterter, verbitterter, greiser und leiser.

Wen interessiert das schon? Noch nicht mal ich selber mag dieses Thema!

Ich schrieb ohne großartigen Anspruch. Nun gut, aber lesenswert sollte es schon sein, gemäß der Doktrin: Was darf Literatur? Alles! Nur können muss sie es. Klar, einst wollte ich berühmt werden, einige Bücher mit meinem Namen, Literaturpreise und so, aber dieses Ziel ging mir einigermaßen bald abhold (auch ein seltsames Wort aus einer anderen Zeit), im Zuge der Inflation des geschriebenen Wortes.

Aber es machte Spaß und klärte. Wenn es irgendwo geschrieben steht, hat es einfach mehr Substanz. Auch in den Geschichten ohne Opa Pscht steckte Magie: Sie formten mich reziprok. Selbsthypnose.

Und nun fällt mit nichts mehr ein. Alles was ich schreibe riecht modderich und das Wort als Konditionierungswerkzeug fiel in falsche Hände.

Ich habe fertig. Ich komme wieder, wenn mir die Tastatur keine Angst mehr einjagt. Vielleicht schon Morgen.


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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#2 von Richard , 09.02.2017 18:43

Ich habe die Buchstaben meiner Tastatur abgekratzt. Seitdem geht es besser.

 
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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#3 von Lucyinthesky , 09.02.2017 20:20

Alt werden wollen alle, alt sein allerdings keiner. Ich auch nicht. Hatte mir das alles auch ganz anders vorgestellt. Ich bin sogar frühzeitig gealtert. Meine Oma war mit 80 Jahren fitter als ich! Und alles, weil mich so ein dämliches kleines Tier gebissen hat, eine Zecke. Infiziert mit Borrelien, die eigens zu diesem Zwecke in einem Labor auf Plum Island entwickelt wurden.

https://www.zeitenschrift.com/artikel/ly...t-aus-dem-labor

Und – jammere ich hier etwa rum?

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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#4 von Sirius , 09.02.2017 21:02

Das tut mir sehr leid, Lucy. Ich nehme an, du hast dauerhafte Gelenkschmerzen. Hast du eine Chance, dass das jemals wieder geht oder sich bessert?

Hallo Karl-Ludwig, mit unseren Kommentaren kannst du nicht viel anfangen, aber lasse dich nicht entmutigen. Du hast wohl nur eine schlechte Phase, aber vielleicht baut dich das wieder auf, wenn du von unseren Beschwerden erfährst?
Glaub ich ja nicht und immerhin schreibst du ja. Wie wärs mit Opa Pscht in Echtzeit, mit echt Rheuma, Ischias, Durst und liebeskranken Hormonen, der verzweifelt in einem Forum schreibt, in dem ihn keiner versteht? Opa Pscht gegen die verdammten Banausen, die nicht akzeptieren, dass er uralt ist. Das wurmt ihn so, dass er sie fertigmachen will, diese ignoranten Klugscheißer mit ihrer veganen Buttermilch. Pffh!
Und den Rest musst du natürlich erledigen. Und was du schreibst, riecht nicht modderig, du musst nur mal die Socken wechseln, deine Schreibe ist okay.
So, mehr Hilfestellung kann ich aber nicht geben, mein Pfleger kommt gleich.

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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#5 von scrabblix , 09.02.2017 22:30

Zitat von Karl-Ludwig

Wenn es irgendwo geschrieben steht, hat es einfach mehr Substanz.



Genau so ist es, Karlchen! Wir wollen nicht nur schreiben, sondern auch gelesen werden.

Und bitte, lasse dir von deiner Tastatur keine Angst einjagen! Denn lesen, lesen mag ich deine Geschichten sehr, sehr gerne!

Liebe Lottegrüße


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#6 von Karl Ludwig , 10.02.2017 08:14

Ihr seid alle ziemlich lieb, wa?

Ein Opa, dem die Worte ausgehen? Niemals! Selbst wenn er nichts zu sagen hat, muss er das verkünden.

Das mit der Zecke ist natürlich schlimmer, als meine momentanen Weh-Wehchen. Sie sind nicht sehr beeindruckend. Ein kalter Entzug ist wesentlich unangenehmer, und damit kenne ich mich aus.

Es spielt sich im Kopf ab. Keine Fahne, um die ich mich scharren könnte. Zeit totschlagen. Für die Evolution inzwischen ohne Belang. Überflüssig … usw.

Vermutlich gibt es ein passendes Wort dafür, erfunden von Nachwuchspsychologen: Altersdepressionen. Nun, ich nenne es den Rentnerblues:


Ihr seid bei Weitem nicht so gescheit
wie Ihr glaubt. Ihr seid nur unerfahren.
Ich hingegen pflege schon seit Jahren
Umgang mit der Ahnungslosigkeit.

Doch ich stehe immer noch,
lache laut ob den Gefahren,
zieh mich an mir selber hoch.
Wie der Baron, an eigenen Haaren.


Nee, das ist noch kein Rentnerblues. Noch nicht mal alles falsch machen kann ich richtig.

Macht Euch keinen Kopp. Mir geht es besser, als ich es verdient habe.


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RE: Die Angst des Schreibers vor der Tastatur

#7 von Lucyinthesky , 10.02.2017 20:34

Zitat von Sirius
Das tut mir sehr leid, Lucy. Ich nehme an, du hast dauerhafte Gelenkschmerzen. Hast du eine Chance, dass das jemals wieder geht oder sich bessert?



Ist lieb von dir, Sirius und danke, dass du nachfragst. Die neurologischen Ausfälle sind am schlimmsten. Aber ich wollte hier nicht jammern, sondern Karl-Ludwig etwas trösten.

Ich hoffe einfach. Immerhin habe ich mit einer "illegalen" Medizin den Borrelien den Garaus machen können. 10 Jahre hatte ich die schon, als sie entdeckt wurden! Und ich nehme kein einziges Medikament, was man üblicherweise bei dieser multsystemischen Krankheit verschrieben bekommt - sonst hätte ich mindestens den Magen und die Leber jetzt auch noch kaputt.

Liebe Grüße,
Lucy

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