Tucholsky, Kurt (1890 - 1935)
Ich hab dir alles hingegeben
Ich hab dir alles hingegeben:
mich, meine Seele, Zeit und Geld.
Du bist ein Mann - du bist mein Leben,
du meine kleine Unterwelt.
Doch habe ich mein Glück gefunden,
seh ich dir manchmal ins Gesicht:
Ich kenn dich in so vielen Stunden -
nein, zärtlich bist du nicht.
Du küßt recht gut. Auf manche Weise
zeigst du mir, was das ist: Genuß.
Du hörst gern Klatsch. Du sagst mir leise,
wann ich die Lippen nachziehn muß.
Du bleibst sogar vor andern Frauen
in gut gespielten Gleichgewicht;
man kann dir manchmal sogar trauen ...
aber zärtlich bist du nicht.
O wärst du zärtlich!
Meinetwegen
kannst du sogar gefühlvoll sein.
Mensch, wie ein warmer Frühlingsregen
so hüllte Zärtlichkeit mich ein!
Wärst du der Weiche von uns beiden,
wärst du der Dumme. Bube sticht.
Denn wer mehr liebt, der muß mehr leiden.
Nein, zärtlich bist du nicht.
Reset the World!
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Klasse! Ja, der Mann konnte schreiben...
Mir gefallen solche Gedichte, die sich am Ende öffnen.
Danke fürs raussuchen, Sirius!
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Wer mehr liebt, der muss mehr leiden.
Wie Wahr! Wie Wirklich! Von ihm kenne ich kaum etwas, außer diesem berühmten: 'Was es nicht alles gibt, was ich nicht brauche'. Oder war das von Heine, dem letzten großen Deutschen Romantiker der Nach-Vogelweide-Aera (von dem ich genau so viel weiß, nämlich wenig)? Nee. muss Tucholsky gewesen sein.
Na, wer auch immer. Der Eingangstext ist besser, als fast alles, was ich mir jemals zu diesem Thema einfiel.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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