Ein Gewitter droht von Westen -
dort, wo einst die Küche stand
und ein Vater kämpft mit festen
Fäusten gegen eine Wand.
Ein Konzept für die Familie?
Sieh! Not macht erfinderisch!
Mutter wiegt die Petersilie.
Schweigsam geht es ab zu Tisch.
Zwischen Birnen, Speck und Bohnen,
redet er dann Tacheles:
„Ich will nicht mehr bei euch wohnen.“
Mutter fragt, wie spät es ist.
Räumt den Tisch, streift ab die Schürze.
So, als wäre nichts dabei
und in absehbarer Kürze,
hört man einen letzten Schrei...
Schreiben macht schön.
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Was für ein großartig geschriebenes Gedicht, Leo! Ich bin schier begeistert von der lakonischen Sprache!
Zwischen Birnen, Speck und Bohnen,
redet er dann Tacheles:
„Ich will nicht mehr bei euch wohnen.“
Mutter fragt, wie spät es ist.
Das ist so (toll!), wie man es oft in Filmen sieht, wenn das Platzen einer Bombe einfach mit Nebensächlichkeiten ignoriert, weil man es nicht wahrhaben will, weil einfach alles so weitergehen soll.
Das ist schon meisterhaft geschrieben, Leo, großes Kompliment!
Sirius
Reset the World!
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Liebe Leo, Du siehst mich begeistert und berührt.
Du schaffst in Deinem Gedicht eine ganz eigene eiseskalte Atmosphäre, nur bei den ersten beiden Zeilen des zweiten Verses habe ich meine Schwierigkeiten, die fallen stilistisch irgendwie raus. MEINES Erachtens. Du könntest da genauso lakonisch weitermahcne wie im Rest des tollen Gedichts. Beim ersten bis fünften Mal Lesen: verlässt ein Vater und Ehemann seine Familie, das ist das langsame emotionale Sterben im bürgerlichen Lebensentwurf namens Familie, die Kälte in der angeblichen Heimstatt, bis es nicht mehr geht - Gefängnis Familie.
Dann das Überraschende: Ab dem sechsten Lesen hat die Familie einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt und muss gleich am nächsten Tag das Land verlassen. Der letzte Schrei ist dann an der Grenze, als die Selbstschussanlage ausgelöst wird.
Weiter so, Leo!
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Herrlich lakonisch von der Schulter gewischt, wie lästige Schuppen, Leo!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Zitat von Sirius
Was für ein großartig geschriebenes Gedicht, Leo! Ich bin schier begeistert von der lakonischen Sprache!
Zwischen Birnen, Speck und Bohnen,
redet er dann Tacheles:
„Ich will nicht mehr bei euch wohnen.“
Mutter fragt, wie spät es ist.
Das ist so (toll!), wie man es oft in Filmen sieht, wenn das Platzen einer Bombe einfach mit Nebensächlichkeiten ignoriert, weil man es nicht wahrhaben will, weil einfach alles so weitergehen soll.
Das ist schon meisterhaft geschrieben, Leo, großes Kompliment!
Sirius
Ja, lieber Sirius, du hast es erfasst, man, bzw. Mann&Frau, wollen es nicht wahrhaben und so kommt es zu einer Endlos - Odyssee...
"Das Leben ist kein Ponyhof", wie ich diesen Satz hasse!
Über dein Lob freue ich mich riesig.
Leogrüße zu dir
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Zitat von scrabblix
Herrlich lakonisch von der Schulter gewischt, wie lästige Schuppen, Leo!
Liebe Lottegrüße
Danke, liebe Lotte. Ja, das kann befreiend wirken.
Leogrüße
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Zitat von weegee
Liebe Leo, Du siehst mich begeistert und berührt.
Du schaffst in Deinem Gedicht eine ganz eigene eiseskalte Atmosphäre, nur bei den ersten beiden Zeilen des zweiten Verses habe ich meine Schwierigkeiten, die fallen stilistisch irgendwie raus. MEINES Erachtens. Du könntest da genauso lakonisch weitermahcne wie im Rest des tollen Gedichts. Beim ersten bis fünften Mal Lesen: verlässt ein Vater und Ehemann seine Familie, das ist das langsame emotionale Sterben im bürgerlichen Lebensentwurf namens Familie, die Kälte in der angeblichen Heimstatt, bis es nicht mehr geht - Gefängnis Familie.
Dann das Überraschende: Ab dem sechsten Lesen hat die Familie einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt und muss gleich am nächsten Tag das Land verlassen. Der letzte Schrei ist dann an der Grenze, als die Selbstschussanlage ausgelöst wird.
Weiter so, Leo!
Jörn
Lieber weegee,
ich freue mich sehr über deinen ausführlichen Kommentar. Deine Gedanken zu meinem Gedicht haben mich überrascht und begeistert.
Vielen Dank, dafür!
Leo
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