Kein normaler Sonntag. Es ist Silvester 2017. Neues Jahr, neues Glück, so hoffen wir. Wie jedes Jahr. Auch wenn dem UNO-Generalsekretär nichts Gutes schwant.
Persönlich war 2017 für mich ganz angenehm, politisch war es erschreckend. Der Präsidentendarsteller Trump, der wie ein Elefant durch den Porzellanladen trampelt, G-20-Gipfel und Menschenjagd, eine Schurkenpartei in unseren Parlamenten, im Nachbarland ein Kind an der kurzen Leine der Nazis.
Aber nun erst mal genug Trübsal geblasen. Auf zu den Jungs, zur berüchtigten Absturztruppe, auf eine leckere Kartoffelsuppe, eine Flasche Sekt und zwei Tütchen. Wessen Smartphone macht die besten Fotos hoch überm Friedrichshain? Meins. Wer hat ein Herz aus purem Gold? Meine Freunde. Was war das schönste Geschenk heute? Eine von Phil genähte Umhängetasche aus dem Stoff, den ich aus Mitla mitgebracht habe. Darin fand ich die Zeitschrift "KreuzXQueer" mit einem Gedicht von mir und einer kleinen Biografie. Was bringt mir das neue Jahr? Das Tarot meint, dass die Zerrissenheit ein Ende hat, dass ich zu mir selbst finden werde und zu dir, mein Gott, zu dir.
Gern wäre ich noch geblieben, doch nun rasch nach Hause, damit ich noch vor Mitternacht bei Katerchen und Brüderchen bin. Sie denken vielleicht, es wäre Krieg draußen. Überall Grüppchen von Pyromanen, die auf Sektflaschen prächtige Raketen hochsteigen lassen. An der Straßenecke zwei junge Männer. Ich habe Angst und traue mich nicht vorbei. Aber nicht, weil sie wie "Nordafrikaner" aussehen, sondern weil sie einen Böller anzünden, der sich zum Glück als Rohrkrepierer entpuppt. Am S-Bahnhof endlich ein freies Taxi. Der Fahrer findet es zynisch, dass wir so viel Geld in die Luft ballern, während anderswo so viele Menschen hungern.
Gerade noch geschafft. Es ist Fünf vor Zwölf, hm. Schnell einen Piccolo aufgemacht, und Cheers! Katerchen und Brüderchen tragen das Ganze mit Fassung. Nur als ich die Balkontür öffne, um mir das Feuerwerk anzusehen, sind sie gleich verschwunden. Ebenso wie eine Krähe, die panisch über die Dächer davon flattert. Zugegeben, schön ist es schon, dieses Gewitter aus gleißenden Farben. Blütenzauber, Sternenregen und Kaskaden, die mit dem Fernsehturm um die Wette funkeln.
Hoffentlich wird es uns gelingen, die bösen Geister zu vertreiben. Es ist Neujahr 2018. Neues Jahr, neues Glück, so hoffen wir.
Die Leute sagen immer:
Die Zeiten werden schlimmer.
Die Zeiten bleiben immer.
Die Leute werden schlimmer.
Joachim Ringelnatz
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Ein sehr gelungener und persönlicher Beitrag zum neuen Jahr, liebe Jenny.
Die mehr philosophische Frage nach der Ballerei ist wohl mehr rhetorisch. Wir wollen viele Kinder und alte Menschen nicht ernähren (und dein Gott auch nicht), sondern „uns“ eben am Feuerwerk für ein paar Minuten erfreuen.
Hätten wir Menschen einen guten Charakter, stellte sich die Frage nicht, dann wäre auch ein Feuerwerk legitim.
Ich glaube auch nicht, dass bei den meisten Deppen dahinter die Absicht steht, böse Geister zu vertreiben, aber es ist lieb, dass du den Menschen Gläubigkeit und Bildung unterstellst bzw. Hintergrundwissen.
In einem Land, in dem man wieder ganz stolz die Nazis wählt, ist es mit dem Wissen nicht weit her.
Aber ich will nicht schon am ersten Tag dieses Jahres diese verlogene Welt verfluchen, die mich ständig zum Kotzen bringt mit ihrer Dekadenz.
Ich wünsche dir ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr, liebe Jenny, ebenso wie allen anderen.
Sirius
Reset the World!
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Danke, lieber Sirius.
Den Taxifahrer störte die Gedankenlosigkeit der satten Deutschen, die nur ihr Vergnügen im Kopf haben und in der Silvesternacht an die Armen keinen Gedanken verschwenden. "Brot statt Böller" war mal ein Appell. Wenn wir nur halb so viele Feuerwerkskörper kaufen und den Rest spenden würden, wäre schon etwas erreicht.
Heute mittag klingelte es Sturm. Ich hörte im Treppenhaus Lärm, und kurz darauf hämmerte jemand an meine Tür. Es war ein Obdachloser, der etwas zu essen haben wollte. Er sah wirklich hungrig aus. Ich gab ihm ein paar Bananen, was Anderes konnte ich auf die Schnelle nicht finden. Anscheinend war ich die Einzige im ganzen Haus, bei der er Glück hatte.
Klar, das Feuerwerk ist schön anzusehen, aber es ist eben sehr laut und grell, weshalb die Tiere darunter leiden. Ein grüner Politiker hat ein Verbot der privaten Knallerei gefordert. Man könnte ein zentrales Feuerwerk veranstalten wie in London oder Paris, das wäre doch super.
Das Feuerwerk zur Jahreswende sollte in vorchristlicher Zeit die bösen Geister vertreiben, aber du hast recht, das weiß heute kaum noch jemand. Ach, würde das wirklich funktionieren, dann würde ich ebenfalls ein paar Böller schmeißen, um den Trampel und die Faschos dieser Welt loszuwerden.
Alles Gute und ein friedliches neues Jahr,
Jenny
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Joachim Ringelnatz
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Einen schönen Einblick in deinen Silvesterabend hast du uns gegeben, Jenny!
Auch dir und allen anderen ein friedliches, gesundes und glückliches neues Jahr!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Danke, liebe Lotte.
Dir und Sean ebenfalls alles Gute fürs neue Jahr!
Und natürlich allen Tachelianern.
Vielleicht sieht man sich ja 2018 mal wieder.
Liebe Grüße
Jenny
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Joachim Ringelnatz
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