Er kann nicht schlafen. Und das mitten in der Nacht. Es ist nämlich so was von Mitternacht aber auch, diese omin- omni- dubiöse Stunde, in welcher schon immer mehr passierte, als während seines Pendanten, 12.00 Uhr Mittags, was aber die meisten Leute noch gar nicht geschnallt haben. Gut, es fahren tagsüber zwar viele Autos, aber nachts sind wesentlich mehr Phänomene unterwegs.

Unruhig steht er auf, um sich diese genauer anzusehen und macht einen Spaziergang. Keine zwei Ecken weiter rennt er gegen eine unverhoffte Leiter. Ein älterer Herr im Nachthemd klettert gerade die letzten Sprossen hinunter und murmelt leise dabei: „Oh Ich!“

„Sag mal, bist Du nicht etwas zu alt, um hier bei Negativtemperaturen leicht schwach bekleidet die Damen zu befensterln?“

„Ich bin gar nicht am fensterln. Schau mal nach oben. Wo führt die Leiter denn hin, bzw. in diesem Fall von wo weg?“

Der Protagonist, mit viel Überredung diesmal nicht ich selber, blickt hoch, höher und dann noch viel höher. Eine endlose Zahl Sprossen ziehen sich zwischen zwei überlangen Holmen schier unbegrenzt weit nach oben, so als ob sie an einer erstaunlich stabilen Wolke angelehnt wären.

„Eine echte Himmelsleiter? Wow! Bist Du etwa Gott?“

„Ja. Schon. Auch. Aber nicht ausschließlich.“

„Wie? Segmentweise?“

„Nein, nein. Völlig anders. Ich meine damit, dass ich nicht der Einzige bin, wenn auch ziemlich wichtig. Es laufen doch überall getarnte Götter, Halbgötter, Schemen, Märchenfiguren, und ähnliches Gesocks herum. Noch von früher. Götter sind nämlich unsterblich. Das gehört zur Stellenbeschreibung.“

„Moment mal. Zeus, Satan, Bacchus, Nikolaus?“

„Zweiköpfige Hunde, Zyklopen, Wotan, Engel, Nikolaus …“

„Boah! Und das soll ich glauben? Gipps überhaupt nicht. Sind doch alle nur ausgedacht. O.K.! Bis auf den Nikolaus …“

„Na und? Vieles verdankt seine Existenz ausschließlich dem menschlichen Bewusstsein, das reicht ausreichend. Söhnchen, es gibt nicht ein einziges Atom Liebe im Universum. Oder Gnade. Oder Hoffnung. Doch kein vernünftiger Mensch zweifelt an ihrer Existenz.“

„Ich schon. Aber ich verstehe, was Du meinst. Und was willst Du hier auf Erden?“

„Herausfinden ob es sich um eine Krise oder Katastrophe handelt. Aberglaube schwappt über den Rand der Ereignisschüssel. Kann sich nicht entscheiden. Der große Widersacher bekommt enormen Zulauf, immer mehr verlorene Seelen wollen die Hölle im Keller in Richtung Erdgeschoss ausbauen. Aber letztendlich peilen sie natürlich den Dachboden an. Diese … Moment, ich darf meinen Namen missbrauchen … GOTTVERDAMMTEN Idioten! Dem Einhalt zu gebieten seid Ihr Menschen doch ins Erbe gesetzt worden. Mein Job dieweil ist es, das Böse zu verdammen, deswegen komme ich ab und an hier nach unten. Um nach dem Rechten zu sehen und mit einem Hauch göttlicher Ekstase für gelegentliches Gleichgewicht zu sorgen.“

„Hm. Wenn Du und die Übrigen übrigens auch, ausschließlich dem menschlichen Bewusstsein entsprungen seid, müsstet Ihr anthropomorphe Entitäten doch ziemliche Selbstfindungsprobleme haben.“

„Stimmt. Ich kann das tatsächlich selber kaum glauben.“

„Wie? Ein nihilistischer Gott?“

„Nun ja, ein wenig …“

„Bitte? Ein ein wenig nihilistischer Gott?“

„Mein Gott, man ist schließlich auch nur Mensch. … , … äh, entschuldige, das sagt man so.“

„Genug gealbert. Wie sieht es aus. Hast Du genug heiligen Odem für einen ganzen Orkan göttlicher Ekstase? Als eine Art Laubpuster für die Seelen, die welken, matschigen, hasserfüllten, verblendeten, …“

„Nein. Ich kann nur zaghaft auf mich hinweisen. Es ist schon ein Elend, wenn sich manche Menschen enttäuscht von mir abwenden, nur weil ich, wie alles andere, von irgendwelchen Arschlöchern für ihre eigenen miesen, egoistischen Spielchen funktionalisiert wurde. Ich gehe nicht in Kirchen und habe nie einen Papst gewollt.“

„Was ist mit den anderen Erklärer des Unerklärbaren? Es gibt immerhin an die 1.000 Religionen.“

„Ich bin auch nicht besonders religiös. Noch nicht mal gläubig – muss ich nicht sein, denn ich weiß …“

„… Ich auch nicht. Verdammt ökumenisch von Dir, wenn Du alle Religionen nicht gelten lässt. Schon mal wegen Häresie, Schisma oder Ähnlichem unangenehm aufgefallen?“

„Ja, man wollte mich verbrennen, als ich das letzte Mal … nur weil ich … na gut … ich wollte die Einnahmen aus dem Kasten von diesem Johann Tetzel. Ich machte ganz unspektakulär Einen auf brennenden Dornbusch und löste mich anschließend vorher in Rauch auf. Sie verbrannten statt dessen einen zufällig vorbeikommenden Touristen und retteten damit die Stimmung. Idioten die.“

„Na gut. Wir haben ja alle irgendwelche Leichen im Keller. Also. Wie geht es weiter? Der Leser und natürlich ich auch, würden gerne wissen, was seine Unerklärbarkeit nun vorhat.“

„Nichts. Ich sortiere nur schon mal vor. Übrigens, willst Du nach später nach oben oder nach unten? Allerdings sind beide Orte nicht besonders lustig. Die Aufregung in der Hölle kann genau so ermüdend sein wie die Lange Weile da oben. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede, denn ich bin omnimental, omnipräsent, und omniübehaupt. Unten wird gerockt, oben hat's Gesellschaftstanz, oder, wenn's hoch kommt, Ballett.“

„Keine Alternativen?“

„Falsche Religion.“

„Aber ich glaube doch gar nicht an Dich.“

„Doch an Buddha glaubst Du auch nicht. Also wirst Du kulturell passend behandelt.“

„Darf ich an Schnorch-Quitschiquaddel glauben?“

„Wer soll das denn sein?“

„Der Gott der Langschläfer. Eigentlich bin ich bloß hier, weil ich nicht schlafen konnte.“

„Mööönsch! Den gibt es doch gar nicht. Morpheus zählt in diesem Zusammenhang kaum, denn der braucht Pillen um zu pennen. Aber jetzt hab ich es! Göttliche Erleuchtung in Echtzeit: Ich mache Dich hiermit zum Gott der Penner. Dein heiliger Name sei Schnorch-Quitschiquaddel. Zieh los und überzeuge paar von denen, die fast Alles glauben und Du hast bis zum Weltuntergang ausgesorgt.“

„Äh, wie viel Zeit habe ich denn?“

„Sei froh, dass Du noch keine Stoppuhr brauchst.“ Und ein Omnilachen geht auf Wanderschaft.

Und dann passiert dem sekundären Hauptakteur genau das, was ihm ständig passiert: Er wacht schon wieder auf.

Genial, Karl-Ludwig. Ein Gott, der nicht religiös ist, das muss einem auch erst einmal einfallen.
Ganz großartige Satire!

Sirius