Die Entdeckung der Ehrlichkeit
In einer zauberhaften Parabel stellt Italo Calvino unsere Weltordnung auf den Kopf. Das Gleichgewicht des Diebstahls hält hier das soziale Gefüge zusammen. Lena Schall illustriert den Text mit ganz eigener Komik.
In den augenzwinkernd fabulierten Geschichten Italo Calvinos werden die Dinge oft so lange umgewendet, bis es den Lesern schwindelt. Ihre Vorstellungen von oben und unten, von richtig und falsch finden sich plötzlich auf den Kopf gestellt. Eine solch radikale und lustvolle Umkehrung findet sich auch in der Parabel «Das schwarze Schaf» aus dem Nachlass des 1985 gestorbenen italienischen Autors. Deren Prämisse tönt paradox: In einer märchenhaften Stadt sind die Einwohner Diebe, nachts plündert ein jeder das Haus des Nachbarn und ersetzt mit den erbeuteten Gütern das, was ihm indes selbst entwendet wurde.
Eines Tages kommt jemand in die Stadt, der dieses abstruse Spiel nicht mitmacht – ein «Ehrlicher», ein Müssiggänger, der lieber raucht und Romane liest, als auf Einbruchstour zu gehen. Dieses «schwarze Schaf» zerstört schliesslich ungewollt das stabile Gleichgewicht des Stehlens und begründet versehentlich unsere kapitalistische Weltordnung.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/die-entdec...keit-ld.1343514
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