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RE: Der Schnee

#1 von Eisenvorhang , 21.01.2018 19:26

Und wie von einem Treiben fort getragen,
als bliese Dich der graue Wolkenmund
hinab zu immer niederen Etagen,
in Frieden liegend ohne Hast zu Grund.

Einst warst Du klares Wasser hier auf Erden
gesammelt in den Tiefen weiter Seen
und schiedest nur, um Kondensat zu werden,
so stiegst du auf zu größeren Ideen.

Jetzt saust in sanfter Brise mein Verehren
in seiner warmen Nacktheit Dir empor.
Du breitest Deine kristallinen Ähren
in weiser Demut und du trittst hervor.


Mit dem Dichten: mach lieber sachte!
Mal sprießt das Wort!
Mal fragts: "Was machste?"

hot dr maa ka rischtsche maad, werdr stumpf un desolat

 
Eisenvorhang
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RE: Der Schnee

#2 von weegee , 22.01.2018 14:30

Das ist klasse, Eisenvorhang. Besonders der zweite Vers hat es mir angetan.

"Einst warst Du klares Wasser hier auf Erden
gesammelt in den Tiefen weiter Seen
und schiedest nur, um Kondensat zu werden,..."

beziehe ich für mich auf das Menschsein.

Sehr elaboriert, feinfühlig-rund umgesetzt, da steckt eine ganze Seele drin. Und so soll es sein.

LG

Jörn


Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)

 
weegee
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RE: Der Schnee

#3 von Eisenvorhang , 22.01.2018 16:24

Hallo Jörn,

vielen Dank für Dein Lob.

Im Moment hadere ich in vielen Richtungen was die Sprache betrifft.
Denn einerseits empfinde ich so viel, was Impressionen angeht und könnte diese mit Worten verknüpfen, andererseits ist das ein Spiel mit dem Feuer,
weil der Sinn dem Leser abhanden kommen könnte.
Als Schreibender ist man dann dazu genötigt sich permanent rechtfertigen zu müssen. Wie was gemeint war oder gemeint sein könnte.
Dann ertönen die Stimmen mit dem Appell: "Die Gedichte müssen mehr Sinn in sich tragen".
Was sie in meinen Augen tun, andere aber nicht erreichen können. Was sind gute Kompromisse?

Ich spüre allerdings, dass ich sprachlich irgendwie ausbrechen möchte und versuche irgendwie Brücken zu schaffen zwischen: "Ich will verstanden sein" und "Ich will schreiben, was in mir heraus möchte".

Das Gedicht "Der Schnee" ist ein erster Versuch des Ausbruches.

Ich danke Dir für Dein Feedback, es bedeutet mir im Moment unglaublich viel!

Hab Dank!

vlg

EV


Mit dem Dichten: mach lieber sachte!
Mal sprießt das Wort!
Mal fragts: "Was machste?"

hot dr maa ka rischtsche maad, werdr stumpf un desolat

 
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RE: Der Schnee

#4 von Letreo71 , 22.01.2018 16:47

Ich sehe es ähnlich wie weegee. Es ist auf das Menschliche übertagbar und dafür sehr gekonnt in Szene gestzt, lieber Eisenvorhang. Ungewöhnlich, aber sehr gut. Was raus muss, muss raus und das alleine rechtfertigt deinen Text!

Sehr gern gelesen!

Leo


Schreiben macht schön.

 
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RE: Der Schnee

#5 von weegee , 22.01.2018 18:01

Eisenvorhang, vielen lieben Dank für deine offenen Worte.

Paragraph 1 des Lyrikgesetzes nach Weegee: Du sollst nicht für den Rezipienten schreiben.

Wenn du "blaue Katze" fühlst, wenn eine blaue Katze aufs Papier will, dann lass sie unbedingt aufs Papier. Blaue Katzen gibt es nicht, aber das ist Prosa. Prosa will Inhalte vermitteln. Lyrik - meines Erachtens und optimalerweise -ist wie Malerei. Es geht um Seelen- und Stimmungsbilder, weniger um Inhalte.

Ein Kompromiß könnte so aussehen: Ein verständlicher Nukleus. Ein kleiner, bedeutender Inhaltskristall, ein Gedanke wie "Ich liebe.". Darum gruppieren sich und docken an die vielen Seelenbilderkristalle oder auch Farbpigmente wie eine blaue Katze: "Die blaue Katze weiß es schon." Für den Rezipienten geht es nicht ums Verstehen, es sollte ihm ums Mitfühlen gehen, ein Angestoßenwerden der eigenen Kristalle oder Pigmente oder wie auch immer.

Da der Schreiber ein menschliches Wesen ist mit einer menschlichen Seele (Ja, tatsächlich er ist kein Alien, auch wenn er das gern so sieht) und auch die restlichen 100 (?) Millionen Deutschsprachigen dieser Welt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es mindestens ein deutschsprachiges Wesen gibt, dass auch "blaues Pferd" fühlt (und vor allem auch "blaues Pferd" fühlen KANN) - und jetzt kommt DIE FROHE BOTSCHAFT: sehr hoch.

((Wieso bin ich jetzt plötzlich bei Franz Marc? Is ja ulkig.))

Ich freue mich über jeden, den ich mit einem Gedicht erreiche. Werde ich überhaupt nicht "verstanden", dann ist es halt so. Kann ich dennoch hinter dem Gedicht stehen, entspricht es mir und meinem Wesen, ist es dennoch ein gelungenes Gedicht.

Was mir hilft sind Museen. Kunstausstellungen. Malerei, Bildhauerei. Von einem Gemälde, das mir wirklich etwas bedeutet, nehme ich oft viel mehr mit für mich und "mein Schaffen" als es andere Gedichte könnten. Es gibt so historische Filmaufnahmen, die Alberto Giacometti in seinem Atelier zeigen, einen alten Mann, der stundenlang, tagelang an einer unglaublich schlichten, filigranen Skulptur HERUMFINGERT, mit einer HIRN-FERNEN Hingabe, als ginge es um sein Seelenbild und -heil: SEINE BLAUE KATZE. So will ich schreiben können.

Für mich ist Lyrik Freiheit und Widerstand. Alles ist erlaubt. Gedichte müssen gar nichts, sie können nur. Lyrik sollte NIE Wettbewerb sein und "Kunst" nicht abhängig von Beifall. ENDE DER VORLESUNG.

Ich für mein Teil bin sehr gespannt auf deinen wirklichen, wahrhaftigen Ausbruch. Aber, s. Paragraph 1, vergiss mich und alle anderen.

LG

Jörn


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RE: Der Schnee

#6 von Eisenvorhang , 22.01.2018 23:01

Letreo,

ich freue mich immer sehr, wenn eines meiner Gedichte es Dir antun kann.
Danke Dir!

@Jörn

Das einzige Grund angepasst zu schreiben ist für mich: Jeder will verstanden werden.
Das Gefühl der Fremde und das Gefühl des Fernseins der eigenen Fremdheit gegenüber der Welt ist kein schönes.
Davon ab ist eine sehr gute Herausforderung das eigene Innre in strukturierten Worten zu reflektieren.

Andererseits sehe ich es wie Du!
Manchmal fehlt mir aber der Mut dazu.

Danke Dir für deine Antwort, ich weiß das sehr zu schätzen.


vlg

EV


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