Nichts widersteht der Zeit, es sei denn das Wort
Gedichte seien schwierig zu lesen, heisst es. Ugo Petrini und Pierre Chappuis beweisen das Gegenteil. Beide Dichter lesen im Buch der Natur und bringen zauberhaft genaue Gedichte hervor.
Eine der ersten rätoromanischen Wörtersammlungen sortiert die Wörter nicht nach dem Alphabet. Vielmehr folgen sie der Ordnung, so erzählt es der Schriftsteller Leo Tuor, wie sie der biblische Schöpfungsbericht vorgegeben hat. Das Wörterbuch beginnt mit Gott und zählt danach auf, was dieser geschaffen hat: Erde und Himmel, dann Sonne, Sterne, Luft und Wind. Nachdrücklich bekräftigt diese Ordnung der Wörter, dass die Sprache einen Anteil auch an der Ordnung der Welt hat.
Die alphabetische Systematik hingegen verwischt, dass zwischen den Worten und Dingen eine Beziehung besteht, die nicht der Zufall, vielmehr eine höhere Macht gestiftet hat. Oder anders gesagt und jenseits aller Metaphysik: Das Wort ist kein beliebiges, austauschbares Zeichen für die Dinge, die es bezeichnet. Es verkörpert im Laut- und Schriftbild, wofür es steht. Wir erkennen die Dinge erst oder neu, indem wir ihre Namen auszusprechen lernen.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/nichts-wid...wort-ld.1349646
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