Vor dem Kollaps
Personalmangel in Krankenhäusern gefährdet Patienten und Beschäftigte. Dagegen regt sich Widerstand
„Keine Pausen – optimale und pflegerelevante bzw. angemessene Betreuung der Patienten ist nicht mehr möglich. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gereizt, Fehler unterlaufen; überarbeitet, demotiviert, innerlich gekündigt.“ So und so ähnlich steht es in einer Viel¬zahl sogenannter Gefährdungsanzeigen, mit denen Beschäftigte in Krankenhäusern auf unhaltbare Zustände aufmerksam machen. Die Gewerkschaft ver.di hat einige dieser An¬zeigen in anonymisierter Form veröffentlicht. Sie machen allesamt deutlich: Die Personal¬not hat ein Quantum erreicht, das sowohl die Gesundheit der Beschäftigten als auch das Leben der Patientinnen und Patienten gefährdet.
Fast nirgendwo müssen Pflegekräfte so viele Patientinnen und Patienten gleichzeitig betreuen wie in deut¬schen Krankenhäusern. Laut einer Studie des Projektes Nurse Forecasting: Human Resources Planning in Nursing ist eine Pfle¬gefachkraft hierzulande für durchschnittlich 13 Patientinnen und Patienten zuständig. In den Niederlanden beträgt das Verhältnis 1 zu 7, in den USA 1 zu 5,3. Die Untersuchung belegt zudem, dass es einen klaren Zusam¬menhang zwischen Pflegequalität und Perso¬nalbesetzung gibt – ein Allgemeinplatz, den manche Klinikbetreiber absurderweise bis vor Kurzem noch geleugnet haben.
Laut ver.di fehlen in deutschen Kranken¬häusern 162 000 Beschäftigte, davon rund 70 000 in der Pflege. Besonders dramatisch ist die Situation in der Nacht. Um das zu un¬tersuchen, haben 780 Gewerkschafter vom 5. auf den 6. März 2015 bundesweit fast 3 800 Stationen und Bereiche in 238 Krankenhäu¬sern besucht. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse dokumentieren, dass die schlech¬te Personalbesetzung Menschenleben gefähr¬det – und das nicht nur in Einzelfällen, son¬dern systematisch. So berichten 60 Prozent der Pflegekräfte, dass sie in den vergangenen vier Wochen nachts gefährliche Situationen erlebt haben, die bei einer besseren Perso¬nalausstattung vermeidbar gewesen wären. Ist eine Pflegekraft allein für über 40 Patien¬tinnen und Patienten zuständig, steigt dieser Anteil auf 78,3 Prozent
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