Das tote Glück
Leis umrauscht von Himmelsquellen,
Süße Sehnsucht in der Brust,
Saß ich einst die mondeshellen
Nächte da in stiller Lust.
Jene Zeit wird nicht mehr kommen;
Himmelsquellen sind versiegt,
Und die Sehnsucht ist verglommen,
Und mein Glück im Grabe liegt.
Weib, du riefst in böser Stunde
Mit dem zauberischen Blick,
Mit dem wonnereichen Munde
Schmeichelnd hin zu dir mein Glück.
Und es kam, ein Kind, und schmiegte
Flehend sich in deinen Arm,
Der es mild umschlang und wiegte,
Als ein weicher Mutterarm.
Nun das Kind in Traumeswonnen,
Hingeschlummert, sich verlor,
Nahmst du still und kaltbesonnen
Deinen Todesdolch hervor.
Scharf geschliffen am Gesteine
Deines Herzens war der Stahl,
Und das Kind, um das ich weine,
Atmete zum letztenmal.
Und du stießest leicht und munter,
Wie ein Steinchen in den Bach,
In das Grab mein Glück hinunter,
Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.
Nikolaus Lenau (1802-1850)
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