Der Kaktus
Ich habe heute die Patenschaft für einen Kaktus übernommen! Jawohl! Manchmal muss man auch große Dinge tun! Und dieser Kaktus hatte einen Migrationshintergrund, das Schlimmste, was man jemanden in diesem Land vorwerfen kann.
Mehr noch, ich habe mich auch geopfert, um mich um seine Versorgung zu kümmern. Es gelang mir, ihn an der Bullerei und den Nazis vorbei die 400 Meter lange Strecke nach Hause zu bringen. Und ich hatte Glück! Nur zweimal wurde ich unterwegs zusammengeschlagen, bekomme aber nur eine einzige Anzeige wegen Körperverletzung, weil ich beim Fallen in einen Stacheldraht aus Versehen die Hose eines Polizisten berührte.
Immerhin konnte ich damit vom Kaktus ablenken, und nachdem ich die fünfzig Euro beim Notarzt bezahlt hatte, für Eintritt und Pflaster, konnte ich mich mit gebrochenem Kiefer zuhause so richtig am Kaktus erfreuen.
Zwischenzeitlich allerdings hatte man meine Wohnung durchsucht und ich habe jetzt den schlimmsten Verbrechensstatus, den es gibt: Linker!
Diese Leute werden ja gerne auf Demonstrationen eingesetzt, damit sich die Polizisten mal so richtig austoben und ihre neuen Waffen ausprobieren können.
Und wieder hatte ich enormes Glück, denn in Bayern wäre ich ja gleich als „psychisch Kranker“ und Gefährder auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen worden. So wurde nur meine Wohnungseinrichtung zerstört und ich bekam auch gleich die Kündigung, weil man hier in der christlichen rechts-schaffenden Straße keine Linken wünsche.
Nun sitzen wir beide – der Kaktus und ich – auf unserem verwanzten Gartenstuhl und schauen den lieben Nachbarn zu, wie sie zu jeder gegrillten Bratwurst ein Feuerwerk zünden, während im Hintergrund der Wald abbrennt.
So lässt es sich doch leben in diesem Land, wenn man einfach nur versucht, am Leben zu bleiben und einfach alles wegnickt, was einen stört.
Meinen Kaktus aber habe ich gerettet vor allen schönen Zentren, die wir schon haben.
Sirius
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Na, das war ja ein richtiger Glückstag, Sirius! Ohne den Kaktus wäre er bestimmt stinklangweilig geworden.
Deine Einfälle stets aufs Neue bewundernd
Lotte
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Muss man eigentlich ein schlechter Mensch sein, um solche Geschichten zu schreiben, oder reicht stinknormale Gehässigkeit?
Herrlich!
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Deinen wunderbaren trockenen Humor, gewürzt mit herrlich satirisch Wortausbrüchen bewundere ich immer wieder.
Und immer wieder bekommst du es hin, aus einem Kaktus, aus einen Besuch im Supermarkt oder aus einem Wortgefecht mit irgendjemanden, der dir gerade über die Feder läuft eine tolle Geschichte oder Satire zu zaubern.
Ich weiß nicht wie lange so etwas dauert, vom Einfall bis zur Pointe - vielleicht fliegen dir die Gedanken während
des Schreibens zu - aber ich meine mal da muss man ganz schön dran arbeiten.
Meinen Respekt, Sirius. Das gilt auch für Karle.
Wieder sehr gerne gelesen von
Jonny
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Als Versuch einer Antwort
Bei mir entstehen viele Beiträge fast nach Schema. Ich habe eine Idee, welche mir vielversprechend erscheint. Ich erhebe mich vom Sofa, hacke die Rohform ohne Rücksicht auf Grammatik und Schreibfehler aus der Schulter in die Tastatur, denn ich kann nicht Beides: Sowohl korrekt schreiben als auch frei spinnen. Ständig bildert es tief in mir und manchmal stelle ich Kontakt her, das ist dann schon ziemlich ekstatisch, bzw. gut genug um mich dabei zu halten.
Andere Beiträge fallen mir beim Einkaufen ein und sind fertig, wenn ich wieder zu Hause bin. Mal entstehen sie beim Schreiben, manchmal trifft Beides zu. Und dann gibt es noch so etwas wie Talent und Leistung. Und Routine, Praxis, Spaß, Zeit, autistische Neigungen und Leute, die mir vom Halse bleiben mit ihren Babypissproblemchen und der Panik im Ausdruck. Lange Weile kann auch motivieren. Ein gewisses Maß an Gemeinheit, Überheblichkeit und Ignoranz können recht hilfreich sein. Schließlich behauptet freiwilig keiner, dass du etwas Besonderes wärest, da muss man schon von selber drauf kommen. Auch sollte man diese Beschäftigung vor seinen Nachbarn und Freunden geheim halten, sonst werden die nämlich ganz seltsam.
Später dann geht es ans Ausfeilen. Hier ein Witzchen, dort eine Absurdität, da eine wohlgeschliffene Anmerkung, alles oft geklaut. Wenn ich die Lust verliere hänge ich die Rohfassung aus für meinen Lektor, der mich noch nicht entdeckte.
Also lieber Jonny, Du liest gerade, dass es keine einheitliche Methode gibt sich auszustülpen. Manche Menschen haben die besten Ideen, wenn sie staubsaugen. Oder sie interruptieren sogar einen GV für eine Geschichte, welche diese Welt nötiger hat.
Wie sind denn Deine Bedingungen um zu schreiben?
Zusammengefasst: Es braucht Liebe zum geschriebenen Wort, und die hast Du doch. Du schreibst wie Jonny, das kann sonst keiner.
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Ah-Ja. Noch etwas. Die Unzufriedenheit mit dem Geschaffenen ist Teil der Belohnung.
Ich jedenfalls denke mir meistens nur bei meinen Texten und Gedichten: Nun-Ja. Halt mittelschlechte Haushaltsware.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Karl-Ludwig hat so recht: Du schreibst wie Jonny, das kann sonst keiner!
Und keiner kann es wie Karl-Ludwig! Weil jeder seinen eigenen Stil, seine eigene Gehässigkeit, seine eigenen Worte hat.
Ich habe wirklich noch nie eine Geschichte komplett im Kopf gehabt! Ich brauche einen Satz, einen Titel, irgendwas, das mich nervt, und dann schreibe ich los. Alles andere ergibt sich beim Schreiben, weil mich der Text automatisch als „Film“ im Kopf begleitet und sich dann fortsetzt. Natürlich alles schamlos übertrieben, die Filme der Marx-Brothers haben mir dabei immer Auftrieb gegeben und – wie Karl-Ludwig richtig stänkert – meinen Zynismus und meine eigene Gehässigkeit gegenüber anderen, die ich aber nur beim Schreiben auslebe.
Man darf nicht verkrampfen und darüber nachdenken, ob etwas lustig ist, sondern muss diese Lockerheit haben bis zur eigenen Selbstzerstümmelung.
„Wenn man schreiben kann, kann man alles schreiben“, hat mir mal einer gesagt. Ob Krimi, Liebesroman, Gedicht oder Satire. Mit Gedichten tue ich mich schwerer, Satiren gehen mir locker von der Tastatur, ich hab bloß keine Zeit, weil ich auch noch als Rentner arbeiten muss (meine Ex-Frau bekam die Häfte meiner Rentenanwartschaft und ich ihre, die war aber Null!).
Das ist schade, denn schreiben ist wie Klavier spielen, man muss es immer und immer wieder üben.
Du könntest es auch ruhig versuchen, Jonny. Du musst nur deinen Humor und deine Sprachkunst entsprechend einsetzen. Mal böse sein anstatt sehnsüchtig, mal schadenfroh statt verständnisvoll. Dann tun sich ganz neue Zeilen auf.
Ich danke dir ganz herzlich für deinen schönen Kommentar!
Und von Karl-Ludwig gelobt zu werden, ist ja eine Ehre! Ich bewundere immer die Kunst der anderen und seine ganz besonders, denn es ist nicht einfach, ein bestimmtes Nivea zu halten.
Auch dir meinen herzlichsten Dank!
Sirius
Reset the World!
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