Während ich auf der Suche nach Erkenntnis, oder wenigstens dem nächsten Schrottplatz, über den Bahnhofsvorplatz taumele, wird mir trotz meines Zustandes gewahr, dass hier etwas nicht stimmt. Hm. Bratwurststand, Denkmal, Kiosk, Penner …, völlig normal. Was also beunruhigt mich?
Ich drehte um und eiere zurück. Hm. Tja. Große Uhr mit individueller Meinung zur Tageszeit, Hundekakkapfui, Pappteller, Bierdosen, Blutlachen und einsame Leute, die vorbei hasten. Rechtsanwälte, Junkies auf Affen, Verkäuferinnen, Taschendiebe mit Beute, Damen vom Gewerbe der käuflichen Zuneigung, Mörder …
Mein suchender Blick findet nichts Ungewöhnliches. Sogar zwei Kobus' hat's hier. Kobu = Kontaktbulle. Die kümmern sich um verloren gegangene Seniorinnen. Einige traurige Blumen in Betonkübeln, alles wie gewohnt.
Dann wird mir plötzlich klar, dass ich nach etwas suche, was da ist, anstatt zu finden, was fehlt.
Klick!
Wo sind die Missionare der Zeugen Jehovas? Die Hare Krischna Singer. Die Guru Maharadschi Anhänger, Neohinduisten, Heilsarmee? Will denn plötzlich niemand mehr meine Seele retten und an meine Ersparnisse? Oder hat sich schon herumgesprochen, dass ich ständig pleite bin?
Nur einige finster blickende Salafisten belästigen eine Taube und versuchen sie in einen Schaddor zu kleiden. Die steigt auf und hinterlässt dabei einen trefflichen Kommentar aus tiefstem Darm, - und Ozymandias schweigt beschämt.
Was war es doch Seiner- bzw. Meinerzeit für ein Treiben der Erleuchteten auf öffentlichen Plätzen. Ich musste Nummern aus Automaten ziehen, bis ich aufgerufen wurde, um dann einer blöde grinsenden Überzeugung zu erklären, dass ich gläubiger Heide sei.
Dagegen kommt ein Werbestand der Bundeswehr nicht an. Ehrlich.
Machen wir einen kleinen Abstecher in die Hölle, wo sich nach gott-, vischnu-, zeus-, thor-, buddha- usw. gefälligem Ableben diese Typen gegenseitig komplettes Versagen vorwerfen. Schrecklich, nicht wahr? Schnell weiter zum Paradies der Nihilisten; da lungern die Atheisten ab, werden von Engeln verwöhnt, die im Gegensatz zur christlichen Standartausführung recht unbekümmert sind. Und Gott sieht es mit Wohlgefallen.
Dort halten sie auch ihre Symposien ab und erfreuen sich an diesem ganz geheimen Wissen. Die Brüder vom aufgeklärten Nichtdurchblick: Die Erleuchtung besteht aus der Erkenntnis, dass es keine Erleuchtung gibt.
Damit erschlagen sie jede religiöse Wahnvorstellung, sowohl auf Erden, als auch im Himmel! So wahr mir Gott helfe.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Du bist gerade auf religiösen Pfaden, Karl-Ludwig, und demaskierst das Angebot der Gewohnheitsheuchler. Du machst das in deiner tollen Schreibe und mit dem schönen Wortwitz.
Und während du verzweifelt jemand suchst, der dich bekehrt, werden mir die Spacken schier zu viel. Wenn ich z.B. bei rebuy ein Buche suche (Sachbücher), ist jedes fünfte Buch ein Buch über „Gott und den Herrn“, Tonnen von Kalendersprüchen kommen einen entgegen, die Bibel durchgekaut und die übliche Gehrinwäsche in dieser klebrigen Sprache.
Egal, was ich mache, ich kann denen nicht entkommen (So wahr mir Gott helfe).
Auf dem Bahnhof lungere ich mit Absicht vor dem Stand mit den Katholen, bis mich einer anspricht, und ich genüßlich und abfällig antworten kann, dass ich mit Sekten nichts zu tun haben möchte. Ich liebe die dann folgende Empörung, die ich mit einer abfälligen Handbewegung quittiere und mit einer guten Tat in den Kalender eintrage.
Aber so geht es mir ja auch mit Politikern, Nazis, Polizisten, Bankern, Vermietern, Anwälten, Supermärkten, Post, Bahn, Fernsehen, dem Wetter und praktisch allen.
Manchmal möchte ich einfach nur weinen.
Sirius
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