Wuchtig überragt die Sparrenburg den Ort und erinnert Wanderer daran, dass die Zeiten früher bloß früher waren und eher weniger besser, geschweige denn friedfertig. Unter der Sparrenburg befinden sich viele vergessene Gänge, zugemauerte Katakomben, mehrere Zisterne, Kammern, Gewölbe, - im Prinzip ist der ganze Sparrenberg durchlöchert wie nach einem Riesenmaulwurfüberfall.
Als ich ein Kind war, stöberten wir gerne durch diese Unterwelt auf der Suche nach den Folterkammern, in denen wir uns hätten gruseln können. Aber das Streckbett und die Eiserne Jungfrau waren wohl schon im abgeschlossenen Depot verschwunden. Auch wurden viele Eingänge nach und nach mit Gittern gesichert, doch halt nicht alle. Außerdem bekamen wir die Vorhängeschlösser irgendwie immer auf.
Eines Tages brachte der Vater eines Jugendfreundes einen Olm aus Istrien mit. Er bat uns Kinder, diesen zu verstecken, er hätte das ungute Gefühl, von der Olmsippe verfolgt zu werden, und da unten würden noch Familienfehden und Ehrenmorde an der Tagesordnung sein.
Der Olm selber fühlte sich in den Grotten der Sparrenburg so sauwohl, dass er mehrere Jahre lang sofort angelaufen kam, wenn er unsere Schritte vernahm, und Stöckchen holen spielen wollte. Dann bemerkte er wohl das Lächerliche daran und verschwand ohne eine Nachsendeadresse zu hinterlassen.
Wir aber machten seinem Namen weltbekannt. Der verlorene Grottenolm wurde zum Kassenschlager und von Lord Andrew Lloyd Webber zum Musical verwurstet.
Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, wenden sich die Wissenschaftler aus der Hermannshöhle an mich, ihnen zu zeigen, wo genau denn dieser Olm das letzte Mal gesehen wurde. Sie bräuchten ihn zur Bestandsauffrischung und die doofen Istrianer wollten keine mehr rausrücken. In Prinzip kein Problem, denn diese Tiere können bis zu 100 Jahre alt werden.
Ich gab ihnen meine Kontonummer und einige Tipps. Mit Makrelen, so tat ich Kund zu wissen, könne man ihn anlocken. Auch Überpigmentirteschmatzer, früher Negerküsse, würden einen unwiderstehlichen Reiz ausüben.
Nach drei Tagen informierte ich die Heilsarmee und die Wissenschaftler wurden gerettet.
Für einen geringen Betrag, so meinten sie im Krankenhaus, würden sie mich gerne als Führer engagieren; wir einigten uns auf einen etwas größeren, aber nach Zeitaufwand. „Nur noch einige Minuten.“, so erklärte ich den langsam ungeduldig werdenden Wissenschaftler nach vielen Stunden. Unsere Reserven an Nahrung neigten sich langsam dem Ende zu, als uns nach weiteren langen Zeiten eine andere Gruppe entgegen kam, geführt von einem ehemaligen Schulfreund. Wir sahen verklärte Gesichter und enthusiastische Freudentränen: „Fantastisch! Absolut fantastisch. Dieser Grotenolm ist schlichtweg einmalig. Nur noch einige Minuten dort entlang, dann werdet ihr etwas Unvergessliches sehen.“
Nach weiteren Stunden wollten einige Wissenschaftler aufgeben, doch die anderen bedrängten mich zunehmend aggressiver: „Wo ist denn nun dieser weltberühmte Grottenolm?“ Die Stimmung drohte zu kippen, deutlich gegen mich. „Da, nur noch um diese Ecke,“, stammelte ich, zeigte in das Höhlenweitere und setzte zum Spurt in die entgegengesetzte Richtung an, doch ein Kretin nahm mich unter dem Beifall der anderen in den Doppelnelson.
Ich zog unter Verrenkungen ein abgenutztes Bild aus der Bergmannskluft. „Da.“, keuchte ich hingebungsvoll, „So sieht er aus. Jetzt brauchen wir nur noch nach etwas Ähnlichem zu suchen.“
Die Wissenschaftler standen aufgeregt im Kreis um das Foto herum und waren begeistert. "So also sieht ein Olm aus. Ich wollte schon immer mal wissen ..." beriefen eine Konferenz ein, berieten sich ernst und beschlossen dann, mich nach einer Abkürzung aus diesem Höhlensystem zu fragen. Auch kein Problem.
Als wir einer anderen Besuchergruppe begegneten, kam endlich Spaß an der Freude auf. „Da lang, ist nicht mehr weit. Lohnt sich. Bemerkenswert!“, riefen wir ihnen zu und zogen gut gelaunt weiter.
10 Minuten später saßen wir auf der Sparrenburg in der Cafeteria und tranken altdeutschen Espresso.
Und deswegen bleiben die inzestuösen Rübelandolme im Harz auch weiterhin ohne Nachwuchs.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Eine wunderbar vorgetragene Geschichte mit Lerneffekt für jene, die an Bielefeld glauben.
Und deine Olme werden auch langsam sympathisch, vermutlich beziehst du eine Kriechtierförderung.
Im Ernst, die Geschichte ist toll, die kann man nicht nur Wissenschaftlern erzählen, sondern auch seinen und anderen Kindern!
Sirius
Reset the World!
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Find ich auch klasse, Karl-Ludwig. Wörter gibt es, die gibt es doch gar nicht.
Leoolmsche Grüße
Schreiben macht schön.
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