Tränen in schwerer Krankheit
Mir ist, ich weiß nicht wie; ich seufze für und für.
Ich weine Tag und Nacht, ich sitz in tausend Schmerzen,
und tausend fürcht ich noch; die Kraft in meinem Herzen
verschwind't, der Geist verschmacht, die Hände sinken mir.
Die Wangen werden bleich, der muntern Augen Zier
vergeht, gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen.
Die Seele wir bestürmt, gleich wie die See im Märzen.
Was ist dies Leben doch, was sind wir, ich und ihr?
Was bilden wir uns ein? Was wünschen wir zu haben?
Jetzt sind wir hoch und groß, und morgen schon vergraben;
jetzt Blumen, morgen Kot; wir sind ein Wind, ein Schaum,
ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten.
Jetzt was und morgen nichts, und was sind unsre Taten?
als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.
Andreas Gryphius
Aus: Der ewige Brunnen. Ein Hausbuch deutscher Dichtung
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