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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#1 von Karl Ludwig , 07.10.2018 07:39

Geld verdirbt den Charakter

Nach fast einem halben Jahrhundert haben mein ältester Freund und ich beschlossen, uns gegenseitig für Arschlöcher zu halten. Wegen 15,00 €. Aus Prinzip! Und im Prinzip ist das auch ein Beweis für die Richtigkeit dieser Meinung über uns.

Wie soll das mit dem Weltfrieden jemals klappen? Sogar ich, der als zweiten Vornamen 'Konsensbereitschaft' tragen würde, wenn dieser Platz nicht schon von 'Ludwig' besetzt wäre, bin nicht in der Lage, den Krieg in unseren Köpfen für mich zu behalten.

Zur kurzen Erläuterung: Ich liebe (liebte) ihn wie einen Bruder. Er hatte großen Einfluss auf mein Leben gehabt, das anders bestimmt anders verlaufen wäre. Vielleicht sogar schlechter. Ich jedenfalls bin (war) ihm dankbar für die Möglichkeiten, welche sich mir durch die Freundschaft mit ihm eröffneten. Ich wohne seit ewig auf seinem ausgebauten Gelände, ein kleines Dorf fast, welches er aus Abrissgebäuden sanierte und wieder bewohnbar machte. Ich war sein Produktionsleiter in Deutschland und 10 Monate als Projektmanager in China. Mit dem gelernten Wissen konnte ich lange eine Fertigung von Gaststätten-Inneneinrichtungen in der Türkei fahren (Ich machte unter anderem die bestürzende Erfahrung, dass ich genau so wie alle Anderen, Macht nur nutzte um auf bigotte Art überheblich zu werden und meine Mitmenschen nach Nützlichkeit einzuordnen).

Wir haben uns geprügelt, Weinkeller geplündert, gemeinsam Geld verdient und all das.

Und dann mahnt seine Sekretärin frecher Weise die Nebenkostenendabrechnung und die angehobene Kaution an. Mit Gebühren. Aus meiner Antwort:

Es ist nicht zulässig, wenn der Vermieter für Schulden bei Nebenkosten, Miete, Betriebskosten und Mietsicherheit jeweils gesonderte, teilweise rechtswidrig, kostenpflichtige Mahnungen verschickt, und ich bin für einen kleinen Betrag von nur 100,00 € gerne bereit Ihrem Anwalt zu zeigen, wo das geschrieben steht. Als Bonus würde er auch entsprechende Gerichtsurteile aufgezeigt bekommen. Ich betrachte somit Ihre Zusatzforderungen als gegenstandslos.

Dann schrieb ich noch etwas über Gewohnheitsrecht und einer Versicherung, die bald ausreichend Geld überweisen würde, sämtliche Verbindlichkeiten abzudecken (hat sie inzwischen) und über versuchte Nötigung, kurz, ich wirbelte Staub auf, vernebelte, vertuschte, mischte Halbwahrheiten und Tatsachen mit Lügen, - ich ärgerte zurück und fragte auch noch, ob sie mit dem Begriff 'reziprok' etwas anfangen könne, um sie (bzw. den Vermieter dahinter) etwas aufzumuntern oder mit ein wenig Glück zu lustigen Fehlleistungen zu verleiten.

Seitdem reden mein ältester flüchtiger Bekannter und ich nicht mehr mit einander.

Und ich sehe mal wieder, wie das ständige Kümmern um irdische Güter besessen macht, seltsame Prioritäten setzt, Empathie und Humor killt, und wie solche Aktivitäten aus netten Menschen Leute herstellt, die tatsächlich an die Summe ihrer Vorurteile glauben und für verbindliche Wirklichkeit halten. Mit Geld kann man sich nämlich die Bestätigung kaufen 'Es' völlig richtig zu machen. Geld verhindert Selbstreflektion. Denn die Angst vor Verlust und permanentes Kümmern um darum steht im Wege. Nur sehr starke Persönlichkeiten werden nicht korrumpiert, nachdem sie etwas Macht und Knete zwischen die Finger bekommen. Die Anderen, und ich zähle ihn inzwischen auch eher zu denen, sind dann zwangsläufig fast ausschließlich von Nickern umgeben. Und das kann ja nur der Wahrheit dienen. Und die Suche wird durch die Illusion von Finden ersetzt, da ein offener Ereignishorizont bedrohlich erscheint (Zu Recht!). Ich hingegen will ja schon zufrieden sein, wenn ich Morgens aufwache und bei der Inventur feststelle, dass ich den lieben Gott schon wieder um einen Tag bescheissen kann: Genug Makrelen, Schaumküsse, Kiffkram und keine wichtigen Termine. Sogar noch etwas Geld für Milch und Rindswurst. Also? Schreiben, komponieren, Fingerübungen an der Gitarre (ich werde immer schlechter, pah!, na und? Dann eben mit mehr Geffüüüühhl) kochen, langweiliges Sölitär am Bildschirm, nachmittags Kreuzworträtsel mit bekannter Bekannten und Kuchen (Zur Zeit häufig Mascarponetorte mit Himberen)

Mein Stiefvater (Armenier) war so eine patriarchalische Figur, die es in dem genetischen Gedächtnis einprogrammiert in sich trug und nicht erst nachlesen musste, dass Besitz auch verpflichtet. Manchmal danke ich den Religionen, dass sie neben den Märchen auch wie nebenbei darauf hinweisen, dass wir, verdammt noch mal, unseren Nächsten (bei weit Wegstem ist es ja einfach) zu lieben haben wie uns selber, denn der ist wir. Oder umgekehrt. Ich schreibe dazu nur: Spiegelneuronen. Die einen haben's, die anderen ignorieren sie.

Zurück zur mentalen Hygiene: Bin ich noch zu Loyalität verpflichtet, wenn jemand, dem ich diese mal schenkte, sich negativ entwickelt? Wenn betreffende Person mit Standesdünkel anfängt zu operieren, weil er nur noch auf Leute hört, die ihm Recht geben. Einen als Launendummy missbraucht? Ist das die Versuchung der Macht, selbst bei kleinen Scheißern? Habe ich richtig gehandelt und spielt es überhaupt eine Rolle, als ich mich der Etepetete Kaste meiner Herkunft verweigerte? Sehe ich nun, wohin es führt, wenn jemand im Schweinerennen mitmacht? Oder projiziere nur meine eigenen Vorurteile auf Andere? Es ist mein Schicksal als Mensch, ständig zu urteilen und ich kann schon froh sein, wenn ich mehr richtig als falsch mache. Tu ich das? Kann ich das selber ermessen, denn auf Andere höre ich ja nicht und die haben außerdem Besseres zu tun als mein Ego zu pinseln – die pinseln lieber ihr eigenes.

Gut, von seiner Frau erwarte ich es nicht anders und die Sekretärin ist bloß sein verlängerter Arm. Ich hingegen bin ja nicht so mächtig, lebe aber in einem System, welches Mittellosen Einen Anwaltsbezugsschein zur Verfügung stellt. Das ist besser als Rechtsschutz.

Andererseits habe ich keine Lust, wegen 15,00 € mehr Tamtam zu machen, als gerade. Ich habe meinen Standpunkt deutlich klar gemacht, halte aber einen ungerechten Frieden immer noch für besser, als einen gerechten Krieg. Rumdölmern geht ja noch, aber andere zu bitten, in einem privaten Disput zu entscheiden, - man selber wäre zu blöde für dafür -, ist doch wirklich ein Armutszeugnis.

Wir wissen doch spätestens seit Ben Hur, (falls uns der Kain-und-Abel nichts sagen sollte) wie sich aus Freundschaft Abscheu entwickeln kann. Also muss ich aufpassen, selber nicht nicht allzu viel Blut zu vergießen, denn Rache ist etwas für geistig zurückgebliebene und Kinder. Und Enttäuschung ist kein legitimes Motiv, denn der Fehler liegt bei dem, der zu viel erwartet.

Das musste ich einfach mal …, äh, … wisst Ihr, ich meine nämlich …, also wirklich, ganz ehrlich …, ohne, …, mit …, und ..., äh, ... offen gesagt …, tja, … hm …, glaube ich …, bestimmt vermutlich …, äh, ...

Das kann ich auch beweisen!


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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#2 von Jonny , 07.10.2018 10:54

In diese Geschichte hast du viel reingepackt, Karle.
Viel Selbsterkenntnis - viele unwiderlegbare Argumente. Oh ja, Geld kann den Charakter umkrempeln.
Manche mutieren dann zu gewinnorientierten Egos.
Schlimm ist es, wenn sie es gar nicht mehr bemerken, weil sie sich ganz sicher sind,
dass alles genau so seine Richtigkeit hat.
Mit deiner Geschichte - die wohl mehr als nur eine Geschichte ist - hast du einen Treffer gelandet.
Und es bestätigt meine Art mit Geld umzugehen. Ich schmeiß es raus, bevor es mich versauen kann.
Ehrlich, mach ich. Seitdem ich für mich selber sorge.
Hast du wieder Klasse geschrieben!

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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#3 von Karl Ludwig , 07.10.2018 11:27

Ich gebe immer alles Geld, wenn ich denn welches habe, bis auf den letzten Cent für Lebensmittel, Tabak und so aus. Ich lebe in dem Wahn, dass Geld auf Tasche meinen Mittelpunkt verschiebt und mich beschmutzt. Das ist aber auch etwas übertrieben. Naja. Als stadtbekannte Exzentriker darf ich mir schon die ein- oder andere Schrulle erlauben.


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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#4 von Jonny , 07.10.2018 11:51

Dafür ist sie eigentlich auch da, die liebe Kohle.
Um Bedürfnisse zu stillen. Oder um hin und wieder mal auszubrechen.
Aus dem monotonen Alltag, dem ewigen Rhythmus, um die Sau rauszulassen.
Und um Montag morgen wieder das Kleingeld zu suchen...

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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#5 von Karl Ludwig , 07.10.2018 13:34

Ach, die Jungs hier kennen das schon und Montags fahre ich Leergut auf der Basis 50-50 zum Automaten. Das bringt dann so um die 48 Stunden Ruhe in die Überlebenslogistik. Letzter Monat war günstig. Immer wenn ich zur Bank fuhr, um meine letzten 4 € und paar Zerquetschte am Tresen auszahlen zu lassen, war wieder Geld drauf: Beitragsrückzahlung, Prämie, Heizkostenzuschuss.

Aber irgend etwas stimmt bei dieser Rechnung nicht. Ich verbringe so viel Zeit damit, über kein Geld nachzudenken, dass es fast genau so dämlich ist. Höhöhöhöhö. (Das 'Höhöhöhöhöh' soll ein Smilie ersetzen von jemandem, der sich vor Lachen am Boden krümmt)


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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#6 von weegee , 07.10.2018 22:30

"Geld verhindert Selbstreflektion." OH JA! Und Konsum schafft Egoisten, Kapitalismus: Monster.

Jörn


Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)

 
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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#7 von Sirius , 08.10.2018 20:00

Vermutlich rühren die finanziellen Dissonanzen noch vom Geburtstagsessen her. Solche Dinge haben ja immer ihre Nachwehen.
Und Geld verdirbt sehr wohl den Charakter, das glaube ich auch! Weil man sich nämlich plötzlich Arroganz und Intoleranz leisten kann. Und Mitleid und Bescheidenheit günstig an seine Abhängigen verscherbeln kann.
Freundschaft und Geschäft hät meistens nicht, ebensowenig wie Liebe und Kohle. Es ist immer alles nur ein Geschäft. Und es ist besser, man zahlt jeden Cent zurück. Und die lächerlichen 15 Euro frisst ja schon die Inflation. Aber für uns sind 15 Euro natürlich schon ein Wochenbudget.
Mich interessiert auch mehr, wie du mit den zwischenfreundschaftlichen Problemen fertig wirst und wie geschickt du dein Leben meisterst.
Und das auch noch mit dem liebenswerten Humor!

Sirius


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RE: Ich kann auch ohne Karlauer

#8 von Karl Ludwig , 14.10.2018 08:19

Absolute Sendepause. Wir gehen uns aus dem Weg. Keine Lösung in Sicht. Ich schrieb ihm einen Brief, er möge das Geld der Versicherung nehmen, meine privaten Leistungen dazurechnen und endlich glücklich werden.

Aber wehe, der gibt mir Gelegenheit, ihm einen Finger mit Liebe und Respekt in den Arsch hoch bis zum Genick zu schieben, denn ich bin überhaupt nicht nachtragend.


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