Skandal beiseite – nun ist D. H. Lawrence als Dichter zu entdecken
Erstmals liegt eine Auswahl aus dem lyrischen Werk von D. H. Lawrence in deutscher Übersetzung vor. Der vor allem für den Eklat um «Lady Chatterley’s Lover» bekannte Schriftsteller entfaltet darin ein Themenspektrum, das von markanten Naturbildern bis zum Tritt ans Schienbein der Kritikerzunft reicht.
Man glaubt D. H. Lawrence als skandalträchtigen Romanautor zu kennen. «Lady Chatterley’s Lover» (1928) brachte seinen Verfasser in England in Verruf. Erst 1960 konnte dort erstmals eine ungekürzte Ausgabe dieses vorgeblich «obszönen» Erzählwerks erscheinen. Aber: D. H. Lawrence, ein Lyriker? Und ob – und das von hohen Graden. Auf welchem Niveau sich diese Gedichte bewegen, belegt eine erste repräsentative Auswahl von eindrücklichen Übertragungen ins Deutsche, die Werner von Koppenfels vorgelegt hat.
Koppenfels hat ebenso sinnig ausgewählt wie sinnfällig übersetzt und den Band in sieben grosse Abschnitte geteilt: «Englische Anfänge», «Liebesgedichte für Frieda» (von Richthofen), «Gegen Tod und Krieg», «Italien: Früchte, Bäume, Tiere», «Ja nicht!» (vor allem die zeitkritischen Gedichte enthaltend), «Das Unheil» und «Letzte Gedichte», darunter ein lyrisches Meisterwerk – im Original wie in seiner Übersetzung : «The Ship of Death / Das Totenschiff». Koppenfels’ Kunst der Übersetzung zeigt sich eindrucksvoll in Gedichten wie «All Souls / Allerseelen» in der Art der Bildübertragung und eingängigen Rhythmisierung: «Ich bin eine nackte Kerze, brennend auf deinem Grab.» Man erinnert hier die Dithyrambus-Zeile Nietzsches: «Flamme bin ich sicherlich!», mit der Lawrence, ein Nietzsche-Leser durch und durch, vertraut gewesen sein dürfte.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/d-h-lawren...cken-ld.1443852
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