Versehrte Gespenster
Wie erzählt man von einem Kriegstrauma? In seinem poetischen, fordernden Romandebüt schickt Zoltán Danyi einen namenlosen Mann auf eine Irrfahrt durch den eigenen Kopf.
Tage- und nächtelang irrt der namenlose Protagonist in Zoltán Danyis Debütroman Der Kadaverräumerdurch die Straßen Berlins. Er kann nicht schlafen, er leidet an nervösen Magenbeschwerden und Koliken, seine Beine zittern – oder ist es die Erde? Er landet in einem Open-Air-Kino, in dem das Antikriegsepos Die durch die Hölle gehen gezeigt wird. Zumindest glaubt er das; sein Gedächtnis ist alles andere als verlässlich. Die Erwähnung jedenfalls erscheint wichtig: Ende der Siebzigerjahre trug Michael Ciminos Drama über das Schicksal zweier Vietnamkriegsveteranen dazu bei, die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Krankheitsbild anzuerkennen.
Dass Danyis Protagonist an den Symptomen einer PTBS leidet, ist auch ohne explizite Diagnose offenkundig. Schreckliches hat sich in seinem Körper eingenistet, ahnt man, zu furchtbar, um es in Worte zu fassen. Was ihn jedoch nicht daran hindert, ununterbrochen zu reden. Strukturiert wird sein Redeschwall einzig von Einschüben wie "sagte er zum Pfleger" oder "sagte er zum Clochard" – wobei einem nach und nach aufgeht, dass weder der eine noch der andere seine Sprache verstehen, Ersterer meist gar nicht im Raum ist und Letzterer auf einer Parkbank schläft. Manisch monologisierend versucht er das Unfassbare fassbar zu machen und zugleich von sich fernzuhalten. So schält sich erst allmählich, in Fetzen und Andeutungen, seine Vorgeschichte aus dem wilde Haken schlagenden Bewusstseinsstrom.
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