David Grossman „Was Nina wusste“
Zerstörerische Liebe
David Grossman exorziert den Dämon der Vergangenheit. Sein Roman „Was Nina wusste“ erzählt von Liebe und Verrat und ist ein intensives Lehrstück literarischer Traumatherapie. An diesem Montag stellt er sein Buch per Livestream im Literaturhaus Stuttgart vor.
In dieser Familie tobt ein Dämon. Es ist der Dämon der Vergangenheit. Die einzige Chance, ihn auszutreiben, besteht im Erzählen. Deshalb geht es in dem neuen Roman des israelischen Autors und Friedenspreisträgers David Grossman nicht nur um das, was geschehen ist, sondern auch darum, wie es sich zur Geschichte fügt. Und das ist in jedem Sinn großes Kino. „Was Nina wusste“ erzählt einerseits, wie ein Film gedreht wird, andererseits von einer Reise in die Vergangenheit, um dort Dinge zu korrigieren, die über Generationen hinweg das Seelenleben aller Beteiligten umdüstert haben.
Warum hat die mittlerweile neunzigjährige Vera, die in den fünfziger Jahren eines Tages in einem israelischen Kibbuz aufgekreuzt ist, zu ihrer Tochter Nina so ein spezielles Verhältnis? Was hat Nina als Kind erlebt, dass sie ihrerseits ihre dreijährige Tochter Gili und den bedingungslos zu ihr haltenden Mann Raffael verlässt, um sich in nymphomanischer Selbstzerstörung rastlos herumzutreiben, bis sie am Kältepol der Welt strandet? Und warum hat Gili so eine tiefe Narbe an den Venen ihres Handgelenks und panische Angst vor einer Schwangerschaft?Die Antwort auf all diese Fragen führt auf die trostlose Gefängnisinsel Goli Otok in der Adria, auf der man unter dem jugoslawischen Staatschef Tito Regimegegner interniert und zu Tode gequält hat. Hier wurde Vera als junge Frau und überzeugte Sozialistin festgehalten, weil sie sich weigerte, ihren Mann, der vom jugoslawischen Geheimdienst in den Tod getrieben wurde, posthum zu verraten. Hier, auf diesem steinigen Atoll, zieht sich die Geschichte der vom Leben und der Liebe Versehrten zusammen, hier sitzt der Drache, dessen Gifthauch ihr Dasein vergiftet hat, und hütet die Erinnerung.
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https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal...df6fd143a0.html
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