Sorj Chalandonerzählt in „Wilde Freude“, wie man sich gegen die Diagnose Krebs wehren kann – zum Beispiel mit einem Raubüberfall.
Jeanne Hervineau ist 39, als ihr eine Mammografie die Diagnose Krebs bringt. Kurz darauf zerbricht ihre Ehe. Ihr Mann Matt findet, er habe mit dem frühen Tod des Sohnes im Alter von sieben Jahren schon genug gelitten, eine todkranke Frau ohne Haare sei ihm nicht auch noch zuzumuten. Jeanne sagt „Sorry“, wie immer. Bis sie drei Frauen kennenlernt, die ihr Leben auf den Kopf stellen und von „dem braven Mädchen, der braven Schülerin, der braven Ehefrau, die von der Gleichgültigkeit bis zur Verachtung alles hinnahm“, nichts mehr übrig lassen.
Dem französischen Schriftsteller Sorj Chalandon ist ein Kunststück gelungen: als Mann ein durch und durch einfühlsames Buch über Frauen mit Krebs zu schreiben. Dass Chalandon und seine Frau vor einigen Jahren im Abstand von nur 18 Tagen beide diese Diagnose erhielten, mag seine Sinne für das Thema geschärft haben.
An den Beispielen von Jeanne, Brigitte, ihrer (gesunden) Freundin Assia und Mélody dekliniert Chalandon die gesamte Krebs-Gefühlsskala hinauf und hinunter: Schuld, Verzweiflung, Wut, Zorn, Aufbegehren und schließlich die wilde Freude, nichts mehr zu verlieren zu haben. Der Weg dorthin führt die graue Maus Jeanne in eine Wohngemeinschaft unbesiegter Frauen und zu dem wahnwitzigen Plan, einen Juwelier auszurauben.
Sorj Chalandon, der 2019 mit „Am Tag davor“ auch im deutschsprachigen Raum bekannt wurde, spart in „Wilde Freude“ weder mit Pathos noch mit Tragödien. Aber wo passt das besser als bei diesem existenziellen Thema?
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