Ocean Vuong: Der Kaiser der Freude
Mit seinem Debütroman "Auf Erden sind wir kurz grandios" eroberte Ocean Vuong buchstäblich die Welt. "Der Kaiser der Freude" ist ein fulminanter Roman über Leute, die sich als "Loser" empfinden.
von Alexander Solloch
Ein junger Mann, beinahe 20, stromert, begossen von einem unendlichen Regen, vorm Haus herum, in dem seine Mutter wohnt. Er müsste jetzt hineingehen und ihr alles sagen, ihr - wieder einmal - das Herz brechen. "Ma", müsste er sagen, "es ist alles eine Lüge: Ich bin gar nicht nach Boston gegangen, um Medizin zu studieren. Ich bin stattdessen in der Entzugsklinik gewesen." Das müsste dieser junge Mann namens Hai ihr jetzt sagen, seiner einsamen Mutter, die so stolz auf ihn sein will.
Der Regen klang mit einem Mal gedämpft, als fiele er in einem Traum. Hai nestelte an dem Kontaktlinsenbehälter in seiner Tasche, dann öffnete er ihn und starrte die vier winzigen Tabletten an (zwei blaue, zwei weiße), in jeder Kapsel ein Paar. Das Codein würde ihn durch das Gespräch mit seiner Mutter bringen, würde dafür sorgen, dass ihm ihr Weinen so erschiene, als käme es aus dem Keller der Welt und nicht von unmittelbar vor ihm. Er stupste die Tablette ab, das kleinste Rettungsfloß, das er je kennengelernt hatte, doch schließlich klappte er den Behälter zu…
Von Menschen, die es nicht schaffen, erzählt dieser fulminante Roman, Menschen, die von den Überforderungen des Lebens in die Knie gezwungen werden und nun, am Boden, sehen müssen, ob noch irgendein Funken Hoffnung in ihnen wohnt. Hai, dieser junge Mann mit vietnamesischen Wurzeln, der, wie sein Autor, als Kleinkind in die USA kam, sieht keinen Ausweg mehr in diesem Herbst 2009.
Der Krebstod seiner geliebten Oma, der Drogentod seines besten Freundes, die eigene Tablettensucht, das abgebrochene Studium in New York, das erlogene Studium in Boston - er kann nicht mehr, nicht handeln, nicht reden, auch nicht mit seiner Mutter. Er wird springen müssen, springen in den Fluss, der durch die kleine Stadt East Gladness im Nordosten der USA fließt. Aber im letzten Moment hält Grazina ihn ab, eine alte Dame aus Litauen, die in einem heruntergekommenen Haus am Fluss lebt. Hai - von Grazina litauisch "Labas" genannt - zieht dort ein und erfährt von ihr das Geheimnis, wie man jeden Kummer loswird:
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Der...t,vuong100.html
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