(Für diejenigen unter uns, die den Einbandklapphüllentext von 'Philosophie für Anfänger' nicht gelesen haben: Wittgenstein war ein Sprachphilosoph, der behauptete, unsere Wirklichkeitswahrnehmung würde über die Begriffe definiert, welche wir nutzen und in welchen wir zwangsläufig auch denken und bewerten.)
Ich habe im Internet nach den häufigsten Reimen in Deutschen Liebesliedern und in Englischen gesucht. Offenbar hatte sich noch niemand eine Mühe gemacht, die Auswirkungen der Reimzwänge auf unsere Wahrnehmung zu untersuchen. Also muss ich mal wieder ran.
Im Englisch sprechenden Raum z.B. reimt man oft 'talking' auf 'walking'. Im Deutschen mehr 'Gehen' auf 'Sehen'. Also redet der Englische Gentelmän während eines Spazierganges auf die Dame seiner Begierde ein und der Deutsche guckt sie enthemmt-verlangend an – und beide glauben es richtig zu machen, denn so trällerten es ihnen die Schlagersänger und -sängerinnen.
Englisch: You – to – do. (Whatever)
Deutsch: Ich – mich – dich. (ziemlich egozentrisch, oder?)
Im Englischen gibt es kaum Reime auf 'Love'. (wird ja 'Laaf' gesprochen. Nämlich: 'Laugh'. Mehr fallen mir nicht ein.)
Im Deutschen hat es es 'Liebe' und 'Hiebe' und 'Diebe'. (Was kann man sich daraus schon für ein Weltbild stricken?)
Aus Helenes: 'Weil Liebe nie zerbricht': Licht, Gesicht, Haar, nah, da, wegen, Leben, Jahr, klar, verlier', dir, hier ...
The Licht in your Gesicht, and your Haar so nah, da, wegen the Leben, for a Jahr, all is klar.
Aus A.L.Webbers: 'Love changes everything': Sky, die, fly, name, same, shame, more, for …
Ich fly in dem sky, dann ich die, immer das same, ist doch eine shame, ich will more, for …
Da kann der Nachdenkliche schon ins Nachdenken geraten und etwas durcheinander bringen. Aber im Prinzip ist die Theorie, nämlich, dass Liebeslieder maßgeblich unsere Einstellung dem anderen Geschlecht gegenüber beeinflussen, nicht von der Hand zu weisen.
Kein Wunder, wenn wir damit so unsere Probleme haben. Die Neuronen waren schon ligualkonditioniert, alle zuständigen Hirnzellen besetzt, bevor sie eine Chance hatten, selber zu schlussfolgern.
Den Einfluss der Türkischen Sprache auf die Realitätswahrnehmung pubertierender Osmanen thematisiere ich nicht. Nur so viel sei verraten. 'Viel' reimt sich im Türkischen auf 'Nicht'.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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The Licht in your Gesicht, and your Haar so nah, da, wegen the Leben, for a Jahr, all is klar.
Herrlich, Karl-Ludwig, so macht Satire Spaß!
Sirius
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Das ist keine Satire! Pah!! Das ist wortgewordene Suche nach Wahrheit. (An dieser Stelle einmal die Mundwinkel verziehen.)
Weißt Du, ich bin überzeugt, dass der Reimzwang in Liebesliedern den Inhalt beeinflusst. Mir fehlt allerdings die Qualle, diese, meine These, nämlich, dass über ihn unser Bild auf das andere Geschlecht maßgeblich mitgeformt wird, zu beweisen, und ich habe auch keine Lust, mich jahrelang in dieses Thema einzuarbeiten.
Nie hat mir die Erde gebebt. Vergeblich wartete ich auf das Verschmelzen zweier Seelen, auf die Einswerdung mit Ying-Yang und dem kosmischen Prinzip. Es war toll, klar, aber bei weitem nicht so gewaltig wie besungen. Nur eine Drüsenüberfunktion (Stichworte: Striatum, notorisches Zentrum (Meines jedenfalls ist notorisch und kaum motorisch), Hypothalamus, Endomorphin etc.), die zu albernem Verhalten zwingt. (Gottchen, was bin ich früher unter Einfluss von Hormonüberflutung albern gewesen, aber missen möchte ich diese, zutiefst menschliche Erfahrung der Liebe und dem Sex auch nicht. Es waren Jahre, wo es mehr persönliche Zukunft als Vergangenheit gab.)
Also ist man enttäuscht. So etwas passiert einem immer wieder, wenn man zu viel erwartet.
Man müsste mal Liebeslieder aus Ländern analysieren, wo Frauen etwas weniger ernst genommen werden. Vermutlich hören die sich ähnlich verpeilt an, wie ältere Deutsche Schlager, als die Frauen noch geheiratet werden wollen, um dann glücklich zwischen den drei großen 'K's zum Muttchen zu mutieren: Kinder, Küche, Klappsarg!
Ich habe ein wenig recherchiert. Zu diesem Thema: 'Ganz gemeine lingualsoziale Konditionierung des Liebesleben von Radiohörern', fand sich keine brauchbare Literatur. Das bedeutet m.E. nur, dass manche Forscher manchmal halt seltsame Prioritäten setzen. Das Stichwort 'Erkenntnistheorien' jedenfalls vermeldet keine Informationen zu schwachsinnigen Schlagern und ihre Wirkung auf das Liebesleben.
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Weißt Du, ich bin überzeugt, dass der Reimzwang in Liebesliedern den Inhalt beeinflusst
Das ist auf jeden Fall so, deshalb schreibe ich auch viel Prosa. Aber Schlagerteste und Texte für Volkslieder müssen sich dem blöden Volk anpassen. Inzwischen sind die Texte besser geworden, das Volk ist aber immer noch doof.
Wer schwachsinnige Schlager mag, füttert auch gerne seinen Pudel mit Pralinen und wählt die Merkel wegen ihres Blazers.
Die Endorphine reduzieren sich, wenn man täglich 1,5 Millionen Spermien abgibt, egal wohin.
Und ich denke (?), in allen Ländern hat man immer noch diese schwülstigen, schwachsinnigen Texte, zum einen, weil die Begabung fehlt, sich filigraner auszudrücken, zum anderen, weil das auch gar nicht erwünscht ist. Eine Frau, die am Ganges ihre Wäsche wäscht, bekommst Du sicher nicht mit Hannes Wader rum oder mit „Schwarzbraun ist die Kokosnuss“, sondern eher in landestypischer Übersetzung des Welthits „ Bückst du dich am Fluss, kommt von hinten Sirius“.
Ich hab ja generell eine Erkenntnisphobie, aber ich glaube, die Auswirkungen von Musik auf Sex sind nicht so groß wie Alkohol auf Sex, aber für die notwendige Forschung dazu fehlen mir die entsprechenden lebenden Objekte. Es ist selbst mit Schlagertexten schwierig geworden, Frauen von der Notwendigkeit wissenschaftlicher Versuche zu überzeugen. Ich schaffs ja noch nicht mal mit völliger Selbstaufgabe oder mit anzüglichen Worten beim Scrabble.
Sirius
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Herrlich amüsant, ihr zwei beiden!
Jonny
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