Als ich mich für die Bahn schämte
Neulich in der S-Bahn: Touristen sind fassungslos, als Einheimischer möchte man im Boden versinken. Es war der Moment, als unser Autor zum ersten Mal über Bahnscham nachdachte – einen deutschen Gemütszustand.
Von Frederik Jötten
In der S-Bahn zwischen Frankfurt Hauptbahnhof und Frankfurt Flughafen wird mir auf einmal klar, dass ich mich mit der Deutschen Bahn identifiziere. Plötzlich empfinde ich sie als meine Bahn. Das ist einerseits seltsam, weil ich in den letzten Jahren für tausende Euro Fahrkarten kaufen musste, da ist das besitzanzeigende Pronomen wohl unangebracht. Andererseits ist dieses Gefühl so falsch auch wieder nicht, denn als Steuerzahler bin ich ja quasi Miteigentümer der im Besitz des Bundes befindlichen Bahn. Nur fühle ich leider keinen Besitzer-Stolz, sondern das Gegenteil.
Gerade ist etwas passiert, das selbst mir als Leid geprüftem Bahnfahrer unfassbar erscheint. 15 Minuten vor der regulären Abfahrtszeit des ICE nach Brüssel heißt es noch, dass der Zug unbestimmt verspätet sei. Ich stelle mich kurz in die Sonne auf dem Bahnhofsvorplatz. Fünf Minuten später bin ich zurück am Gleis und lese auf der Anzeigetafel, dass der Zug heute außerplanmäßig nicht am Hauptbahnhof abfahren werde, sondern am Flughafen. Der nächste Zug dorthin ist eine S-Bahn. Ich treffe darin auf Menschen, die Englisch sprechen und nach Brüssel wollen. Sie wirken verstört. Ein Mann Mitte 20, blond, Dreitagebart, checkt sein Handy und gibt einer Gruppe von Frauen im gleichen Alter jeweils durch, wie die Chancen stehen, den Zug am Flughafen noch zu erwischen. Er verzieht das Gesicht – heißt, es wird knapp. Kopfschütteln allerorten.
Hätte nicht irgendjemand von der Bahn mitfahren können bis zum Flughafen, statt die Fahrgäste derart brutal sitzen zu lassen?
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https://sz-magazin.sueddeutsche.de/der-l...bahnscham-88114
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