Scheuer und wie er die Welt sieht
Von Oliver Stenzel
Eine wissenschaftliche Stellungnahme fordert eine radikale Verkehrswende. Doch der zuständige Minister Andreas Scheuer und große Teile der Presse stürzen sich nur auf die isolierte Aussage, dass lokal begrenzte Fahrverbote "wenig sinnvoll" seien.
Andreas Scheuer (CSU) soll ja auch Bundesverkehrsminister sein. Vor allem aber ist der Niederbayer bekannt als Gaudibursch. Sein Credo, dass Klimaschutz Spaß machen soll, und dass das nicht der Fall sei, wenn man sich in masochistischen Fahrverbots- und Grenzwerte-Debatten bewege, haben wir bereits dokumentiert. Spaß macht zum Beispiel, ohne Tempolimit autozufahren. Sich den Pelz zu waschen und dabei nass zu werden, macht keinen Spaß. Gar keinen Spaß.
Sehr viel Spaß dürfte Scheuer gemacht haben, dass im Januar ein Lungenfacharzt namens Dieter Köhler eine von rund hundert Kollegen unterschriebene Stellungnahme lancierte, in der stand, dass die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide viel zu streng und wissenschaftlich nicht begründbar seien. Diese Initiative sei, so Scheuer, ein überfälliger Schritt, "Sachlichkeit und Fakten" in die Diesel-Debatte zu bringen. Als die taz kurz darauf enthüllte, dass sich Köhler bei seinen Berechnungen um den Faktor 1000 verrechnet hatte, wird Scheuer dies so unspaßig gefunden haben, dass er darüber kein Wort mehr verlor.
Um die Gefährlichkeit von Stickoxiden und Feinstaub und die Sinnhaftigkeit bestehender Grenzwerte wissenschaftlich zu klären, hatte die Bundesregierung schon kurz vor der dieser Enthüllung die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina beauftragt. Diese stellte nun am 8. April ihre "Ad-hoc-Stellungnahme" vor, für die sie den aktuellen Forschungsstand ausgewertet hat (hier zum Download). Die Ergebnisse: Die Grenzwerte sind alle wissenschaftlich wohlbegründet und nicht zu streng. Im Gegenteil, bei Feinstaub müssten sie sogar noch viel strenger sein, denn der ist weit gefährlicher als Stickoxide, die Empfehlungen der Weltgesundheitsbehörde WHO gingen hierzu auch viel weiter als die Grenzwerte der EU. Und überhaupt müssten die Probleme Luftreinhaltung und Klimaschutz viel großflächiger, mit einer bundesweiten Strategie angegangen werden, eine nachhaltige Verkehrswende müsse her, "isolierte Fahrverbote" gehörten dabei zu den "wenig sinnvollen Maßnahmen".
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Zur nachhaltigen Verkehrswende und weiteren Themen, Harald Welzer in der "Florian Schroeder Satire-Show":
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