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Peter Stamm: Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

#1 von Sirius , 21.04.2022 17:07

Peter Stamm: Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
Fast wie ein Roman

Peter Stamm lässt das gute alte Doppelgängermotiv wieder aufleben – und eine Geliebte

Der neue Roman von Peter Stamm ist überraschend anders und doch ganz Stamm, und was zunächst erstaunt, erweist sich als folgerichtig. Man kennt diese perfekte Mischung aus nüchternem Realismus und präzise gesetzten Leerstellen, mit der uns der Autor alle zwei, drei Jahre beglückte. Doch da öffnete sich ein Abgrund in Stamms letztem Roman Weit über das Land, der aber das eigentliche Zentrum des Textes bildete: Vielleicht ist alles nur Einbildung?

In Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt wird die unauflösbare Verschränkung von Wirklichkeit und Fiktion nicht nur erzählerisch realisiert, sondern wird zugleich zum Thema eines grandiosen Romans. Damit kehrt der Schweizer zum großen Thema seines Debüts zurück, zum Verhältnis zwischen Leben und Literatur. Er habe tatsächlich Lust gehabt, wieder etwas wie Agnes zu schreiben, einen Text, der sehr „strukturiert“ (nicht „konstruiert“) sei, so der Autor im Gespräch. Aber eine gewisse Offenheit müsse bleiben – es gebe eine „gefühlte Komplexität“, die man als Leser auszuhalten vermöge. Gerade als Reaktion auf die digitale Revolution zeige man sich heute möglicherweise für das Irrationale wieder empfänglicher.
In einer Schreibkrise sei er vor fünfzehn Jahren sich selbst als jungem Mann begegnet. Diese Geschichte erzählt der Schriftsteller Christoph in Stockholm der jungen Schauspielerin Lena. Es ist die Geschichte von Christophs unglücklicher Liebe zu Magdalena und bald die Geschichte von Lena und ihrem Mann Chris, der auch Schriftsteller werden möchte. Wer nun eine angestrengte philosophische Spiegelfechterei befürchtet, wird von den Romanfiguren widerlegt. Mit spielerischem Ernst zweifeln sie das Erzählte und Erlebte immer wieder an, versuchen es als Erinnerung oder Traum, Einbildung oder Erfindung zu rationalisieren. Doch die Magie des Unheimlichen, das bei Sigmund Freud von der Begegnung mit sich als anderem ausgeht, bleibt gerade durch die Leichtigkeit von Stamms Erzählstil erhalten.

Peter Stamm überblendet zwei Vorstellungen des romantischen Doppelgängers und lässt diese auf ihre jeweiligen Aporien zulaufen. Im klassischen Fall stellt man sich den Doppelgänger als optische Spiegelung vor und sieht sich dadurch mit einer Verdoppelung der Welt und der Ununterscheidbarkeit von Original und Abbild, von Wirklichkeit und Kunst konfrontiert. Richtig unheimlich wird es, als Christoph realisiert, dass er nicht nur einen Doppelgänger hat, sondern vielleicht selbst einer ist und so „Teil einer endlosen Kette immer gleicher Leben“ wäre. Man kann sich die Figur aber auch wie in René Magrittes berühmtem Gemälde La reproduction interdite vorstellen, in dem sich der Doppelgänger über die Schulter schaut anstatt seinem Spiegelbild in die Augen. Das Paradox der fehlenden Wechselseitigkeit bildet auch für Christoph den Erzählanlass, da er von den Doppelgängern nicht erkannt wird.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/der-freit...t-wie-ein-roman


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Sirius
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