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Jan Böttcher: „Das Kaff“ 

#1 von Sirius , 22.04.2022 16:38

 Jan Böttcher: „Das Kaff“ 

Lies dies, Seehofer

Handelt von Heimat, ist aber mitnichten provinziell: Jan Böttchers „Das Kaff“ ist ein Roman für Landeier und Städter

Das Muster ist nicht neu. Der Glückssucher, einst aus bedrückender Enge ausgezogen und in der großen Welt herumgekommen, kehrt zurück. Zunächst widerwillig und auf Konfrontation gebürstet, erlebt er die kleine Welt, die einst seine Heimat war.

Dass die Rückkehr in frühere Ordnungen auch scheitern kann, wissen literarische Texte ebenso gut; Thomas Manns Double Tonio Kröger muss weiterziehen; Max Frischs Bildhauer Stiller landet im Gefängnis; die Fotografin Elisabeth in Ingeborg Bachmanns langer Erzählung Drei Wege zum See findet den Pfad nicht mehr.
Im neuen Roman von Jan Böttcher ist es der Architekt Michael Schürtz, der für Studium und Arbeit aus einer Kleinstadt in der norddeutschen Tiefebene in die Großstadt Berlin ging und nun als Bauleiter in das „Kaff“ zurückkehrt. Die provinzielle Kleinstadt in der Nähe von Hamburg ist noch immer eng; wie früher gibt es das Käseblatt und den Fußballplatz, vielleicht ist die Tapas-Bar dazugekommen. Michael Schürtz trägt dazu bei, diese Welt zu verändern: Aus seinem Berliner Architektenbüro herausgemobbt, koordiniert er im Kaff den Bau von 16 doppelgeschossigen Townhouse-Riegeln. Dabei muss er die Investoren CMA (Christ, Meckels, Ahrens) zufriedenstellen und sich mit Eigentümern und Handwerkern herumärgern. Zugleich sitzt ihm seine Vergangenheit im Nacken: In der kleinen Welt des flachen Landes, in der er geboren wurde und die er nie wieder betreten wollte, leben Bruder und Schwester sowie alte Freunde und Bekannte; die tote Mutter muss endlich auf dem Friedhof besucht und postum versöhnt werden; der Fußballverein, in dem er früher spielte, möchte ihn als Trainer einer Jugendmannschaft gewinnen. Schließlich taucht die rothaarige Carla auf …

Diese Konstellationen geben Weichenstellungen vor, die leicht in die Abgründe einer glückseligen Coming-Home-Story führen könnten. Doch Jan Böttchers Roman vermeidet schlichte Lösungen. Und zwar durch Figurenkonstruktionen und Erzählweisen, die es in sich haben. Organisierendes Zentrum ist der Ich-Erzähler Michael Schürtz, der sich einst in der Kleinstadtschule mit dem militanten Geschichtslehrer anlegte und danach beim Handwerker Sancho das Tischlern lernte, bevor er Architektur studierte und im Berlin der frühen 1990er Jahre an der Verdrängung alter Einwohnerschichten mitwirkte.
Mit hoher sinnlicher Intensität wird dieser Rückkehrer im ersten Kapitel eingeführt: Im heimatlichen Kaff angekommen, radelt er zum Flüsschen Ull, schwimmt im kalt strömenden Wasser, behauptet sich gegen halbstarke Pubertiere. Das ist eindrucksvoll gemacht: Die Macht der Erinnerung wird ebenso fassbar wie die Unausweichlichkeit von Veränderung – man steigt nicht zweimal in denselben Fluss.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/der-freit...s-dies-seehofer


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Sirius
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