Peter Stamm: In einer dunkelblauen Stunde
Peter Stamms wunderbar schwebender und lässiger Roman „In einer dunkelblauen Stunde“
Da klappt man das Buch auf, liest los und ist so schnell ans Ende gelangt, dass man sich fragt: Wie ist das nur möglich? Gewiss liegt es nicht daran, dass Peter Stamms Roman „In einer dunkelblauen Stunde“ nur vergleichsweise bescheidene 250 Textseiten aufweist. Vielmehr wird hier die Faszination von Anfang bis Ende hochgehalten, weil der Schweizer Autor diese Beziehungsgeschichte um die Dokumentarfilmerin und Ich-Erzählerin Andrea, den Schriftsteller Richard Wechsler und die Pfarrerin Judith so herrlich souverän, tricky, geradezu lässig erzählt.
Alles fängt damit an, dass Andrea mit Tom, ihrem Noch-Partner in Beruf und Leben, den Schriftsteller Richard Wechsler porträtieren will. Der Autor mit dem Wohnsitz in Paris sträubt sich von Begegnung zu Begegnung heftiger. Wechsler hatte gehofft, durch den Blick der Filmemacher etwas über sich selbst zu erfahren. Dann erkennt er, dass das Unsinn ist: „Warum sollte jemand, der mich kaum kennt, etwas über mich herausfinden, was ich nicht längst weiß. Sie zeigen genau das, was ich von mir zeigen will oder kann, mehr nicht. Vielleicht sogar viel weniger. Und morgen bin ich ein anderer.“
Einen Drehtermin in seinem Schweizer Heimatort lässt er platzen. Andrea und Tom versuchen, die Situation zu retten. Sie nehmen ein paar lokale Impressionen auf und suchen nach Zeuginnen und Zeugen aus Wechslers Leben. Tatsächlich stoßen sie dann auf die Jugendliebe, die im Werk des Autors immer wieder auftaucht. Es handelt sich um Judith, die Pfarrerin, verheiratet mit einem Lehrer und Mutter zweier Kinder. Zwischen den Frauen entsteht eine Freundschaft.
Zwar wird das Filmprojekt bald schon abgebrochen. Gleichwohl beschäftigt Andrea weiterhin die Frage, wer dieser Richard Wechsler „wirklich“ ist. Auch ohne Drehtermin. „Er hat etwas Blaues in sich“, sagt sie. „Es ist glatt und glänzend und durchsichtig, mal scheint es fest wie Glas, mal wie ein Wassertropfen, der zerfließen könnte, wenn man ihn berührt.“ So folgt sie der Spur des Blauen.
Es ist der Mensch, der sie interessiert. Seine Romane hingegen findet sie gar nicht so stark: „Eigentlich ist es erstaunlich, dass das überhaupt jemand liest.“ Richard Wechsler selbst meint, hinter jeder Sirene, die auf der Straße näherkomme und sich wieder entferne, „steckt eine spannendere Geschichte als in all meinen Büchern zusammen.“ Aber ihn interessiere nicht, was der Markt oder die Kritik erwarte. Er mache, was er für richtig halte, und schreibe auf, was er finde.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/peter...n-92035322.html
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