Das geheime Leben der Seegurke
In seinem neuen Lyrikband begibt sich Heinrich Detering an die Grenze des Sichtbaren – und zeigt, wie Bewunderung einen neuen Zugang zur Natur ermöglicht.
Eine Rezension von Björn Hayer
Klimawandel, Umweltverschmutzung, Tierleid. Wie schreibt man Lyrik über eine Natur im Transformationsprozess? Über Arten, die aussterben oder Täler, denen längst jedwede Ursprünglichkeit abhandengekommen ist? Manch ein Poet wird zum Alarmisten oder Melancholiker, andere retten sich in utopische Gegenbilder zu einer zunehmend verheerenden Realität.
Beschäftigen tun Natur und ihr Wandel in jedem Fall viele Lyriker. Wie kaum eine andere literarische Gattung hat sich die Dichtung im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren mit diesen Themen befasst. 2016 veröffentlichte kookbooks die Anthologie Lyrik imAnthropozän, inzwischen hat sich unter dem Schlagwort eine eigene Traditionslinie entwickelt, die von Daniel Falb über Silke Scheuermann bis hin zu Marion Poschmann reicht.
Heinrich Deterings Band Untertauchen reiht sich dort ein und ragt doch heraus, weil sich das Bewusstsein des möglichen oder bevorstehenden Verlustes bei ihm nicht aufdrängt und trotzdem enthalten ist, und zwar in der Anerkennung all der schnell zu übersehenden Meisterleistungen der Natur. Die Faszination etwa über einen Wasserläufer: "diese leichteste Berührung übers / Wasser zu laufen das Wunder / ist so einfach und niemand / macht es ihm nach". Und kommt einmal kein Staunen auf, so bringt das lyrische Ich immerhin Mitgefühl auf. Bei einer "unter dem Fenster" liegenden "Mönchsgrasmücke […] / fiel // mir wieder ein, wie man es richtig machte / ein wenig Erde Speichel das genügt / ein rasches Streichen mit der Fingerspitze". Hinausgetragen "flog sie singend in den Mondschein auf".
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https://www.zeit.de/kultur/literatur/201...ichkeit-verlust
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