Gerhard Falkner: „Schorfheide“
Wie ein Hase auf Koks
Der Lyriker Gerhard Falkner begibt sich an die frische Luft. Genauer gesagt in die Schorfheide. Dort beobachtet er die Natur und die Menschen und macht sich Gedanken. Doch das Vergnügen wird leider getrübt – durch Falkner selbst.
Gebrochene Naturlyrik als Animateur des Verstandes, so lassen sich Gerhard Falkners neue Gedichte beschreiben. 75 mal „Schorfheide“ als Überschrift über Zeilenfäden, die Eindrücke aus dieser Landschaft nordöstlich von Berlin mit Gedanken und (Krypto-)Zitaten aus Philosophie, Wissenschaft und Literatur verweben:
Schorfheide
[…]
wenn der nackte Diptam rosa sich
nach oben richtet und im fünften Blatt
das Palimpsest mit Zimt beschriftet
oder mit Zitrone, wenn die Bohne
ihren glatten Körper aus der Schote
auf den Acker schmettert
und der große weiße BMW den fahlen Dunst
des Nachmittags durchbrettert
dann sind wir sicher kurz vor Angermünde
und um siebzehn Uhr dreiundvierzig
geht fahrplanmäßig der Regionalexpress
zurück nach Berlin Gesundbrunnen
Falkner pflügt hier Novalis‘ Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ um. Die romantische Sehnsucht nach dem „geheimen Wort“ verkommt zur schwülstigen Naturerotik, in die am Ende der schnöde Alltag hineinrauscht.
Falkner vermisst – im Doppelsinn – einen naturpoetischen „Grundwortschatz“: „Hier stehen / ganze Kisten von Natur, die auf neue Namen / warten“.
Seine eigenen Verse schlagen in der „Schorfheide“ Haken wie ein Hase auf Koks:
„Frisch geduscht und gegoogelt trete ich hinaus“
„Ich habe morgens überhaupt keine Chance mehr / meine Socken wiederzufinden / so existenziell ist alles geworden“
„Was geht hier ab / mich aus tausend runden Augen / anzupixeln“.
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