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RE: Ein Leben vor versteckter Kamera

#1 von Sirius , 30.08.2019 18:03

Ein Leben vor versteckter Kamera

Die in Graz lebende Schriftstellerin Ursula Wiegele hat einen beunruhigenden, kafkaesken Roman über Kontrollverlust durch ständige Beobachtung geschrieben. Lesenswert.

Das Sendungskonzept ist simpel: Jemand wird in eine Stadt geschickt, findet im Hotel Anweisungen und Kleidung und soll dann – in auffälliger, weil unpassender Adjustierung – in belebter Umgebung auf Plätzen und Straßen etwas Ungewöhnliches, Peinliches tun. Das wird mit versteckter Kamera gefilmt. Reality-TV also.
Die Hauptfigur in Ursula Wiegeles Roman „Was Augen hat und Ohren“ ist ein Schauspieler. Und sein Text ist zumindest teilweise festgelegt. Wie sich herausstellt, werden Szenen aus alten italienischen Filmen nachgestellt, aus Filmen von Fellini, Pasolini und anderen berühmten Regisseuren. Einmal muss die Hauptfigur, Bogdan, wie in Fellinis „Amarcord“ auf einen Baum klettern und dort laut rufen: „Ich will eine Frau.“ Von oben soll er Menschen mit Pflastersteinen bewerfen. Die Steine sind aus Papiermaché und die Beworfenen ebenfalls Schauspieler.

Doch Wiegeles Roman ist nicht nur eine Medienkritik. Das eigentliche Thema ist Machtmissbrauch durch ständige Überwachung. Auch die Filmszenen sind durchaus bewusst gewählt. In „Amarcord“, was so viel bedeutet wie „Ich erinnere mich“, geht es um die Zeit des italienischen Faschismus. Erinnerungen an Zeiten massiver politischer Repression sind aber auch ein Leitmotiv in diesem Roman.
Ab wann läuft die Aufzeichnung? Für ihre Hauptfigur hat sich Wiegele einen Rumänen ausgesucht, der gegen Ende des Ceausescu-Regimes geflohen ist und sich dann im Westen mit Hilfsarbeiterjobs über Wasser gehalten hat. Nun kann er wieder als Schauspieler arbeiten, aber eben nicht im Theater. Und: Er weiß nicht genau, wann die Kameras eingeschaltet werden. Wird er schon beim Eintreffen im Hotel gefilmt oder erst auf dem Weg zum Set oder wird erst dort mit der Aufzeichnung begonnen?
Bogdan soll Berichte an den Sender schicken. An wen die gehen, weiß er nicht. Ob sie jemand liest, auch nicht. Jedenfalls bekommt er keine Antwort. Auch keine Beschwerden. Das alles schafft gleich zu Beginn des Romans eine kafkaeske Atmosphäre. Es gibt auch Anklänge an den Mittelteil von Paul Austers New-York-Trilogie „Schlagschatten“.

Weiterlesen:

https://diepresse.com/home/kultur/litera...steckter-Kamera


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